Rennes-les-Château – Legende oder Wahrheit?

Legende oder Wahrheit? Jedes Geheimnis hat seinen Ort!

In der verfallenden Dorfkirche von Rennes-le-Château fand Abbé Saunière 1886 einen Schatz …

Über diesen südfranzösischen Ort im Département Aude könnte man Seiten füllen – oder Bücher schreiben!

Der Schriftsteller Jean Girou, (L’itineraire en Terre d’Aude, Montpellier 1936, Seite 169) schrieb seinerzeit:


Wir sind im Herzen des Westgotenlandes, es bleibt uns noch, die Hauptstadt des Razès zu besuchen, das alte Rédé, Rhedae. Am Ausgang von Couiza steigt eine Strasse lebendig nach links, es ist der Chemin de Rennes-le-Chateau; am Halt an der Hochebene zeigt sich eine einzigartige Dekoration: verfallene Häuser, ein abgehalftertes Adelsschloss, was auf dem Kalkfelsen ruht, dazu Villas, Verandatürme, neu und modern, die befremdlich mit des Ruinen kontrastieren: Es ist das Haus eines Pfarrers, der diese anspruchsvollen Gebäude errrichten liess, mit dem Geld aus einem gefundenen Schatz, sagen die Landbewohner!” Sie veranlaßt einen zum Anstieg, die wunderbare Aussichtsplattform des Razes. Die Strasse erklettert eine Rampe, überhalb der Sals; auf der anderen Seite tauchen die Ruinen des Schlosses von Coustaussa auf und schneiden einen mittelalterlichen Hintergrundschmuck in den Himmel; die Ländereien und Brachen durchquerend steigt man an bis zum Gipfel.

Mein Roman “Die Erbin des Grals” (2003/2005 Aufbau-Verlag, Berlin/2012 E-book “Marie”, Amazon), war der erste deutschsprachige Roman, der das Mysterium um Rennes-le-Château zum Thema hatte.

“Marie, steh auf, wie bist du träge, die heitre Lerche hat am Himmel schon geträllert …”

(Pierre de Ronsard. Sonett)

Lernen Sie nun die Protagonistin meines Romans kennen, Marie Dénarnaud – Haushälterin und Geliebte des Priesters Bérenger Saunière. Sie wird Sie durch ihr Dorf führen und dabei ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern:

(Marie Dénarnaud, rechts unten, das kleine Kind auf dem Schoß haltend; auf dieses Foto machte mich dankenswerterweise Erik van Leenders aufmerksam.)

“Als ich Bérenger Saunière kennenlernte, den Mann, der mich reich und selig machen würde, der mich zur Mitwisserin eines unbegreiflichen Geheimnisses werden lassen und in Sünde verstricken sollte, war ich gerade achtzehn Jahre alt. Es war der erste schöne Frühlingstag im März des Jahres 1886, als ich freudigen und zugleich bangen Herzens die holprige, gewundene Straße hinaufstieg, die zum Dorf Rennes-le-Château führt …”

“Die rote Erde rechts und links des Weges dampfte. Ein gutes Omen, dachte ich bei mir, den Korb mit meinen Habseligkeiten, der mir zunehmend schwerer geworden war, ein wenig zurechtrückend. Am ersten schönen Frühlingstag eine neue Stellung anzutreten, das musste ganz einfach gelingen …”

“Schon konnte ich die Umrisse der alten Burganlage von Rennes-le-Château erkennen. Die mächtigen Eichen, die vor den halb zerfallenen, teilweise mit Moos und Efeu bewachsenen Gemäuern und Türmen stehen, fingen gerade an, vorsichtig auszutreiben. Man könne nicht wissen, ob die Bäume die alte Burg beschützten oder umgekehrt, meinte Bérenger Saunière später einmal über sie auf einer unserer heimlichen Unternehmungen.”

“´Wohnt der Abbé Saunière in der Hütte des alten Pons, die sich Pfarrhaus nennt?`, fragte ich Émilie Maury – so hieß die alte Frau, die meine erste Freundin in Rennes-le-Château werden sollte. ´Ja, er hat sich dort notdürftig ein Zimmer eingerichtet.` Sie tätschelte tröstend meine Hand. ´Das vernünftigste wäre es, wenn du dich bei mir einquartierst. Bis du ein eigenes Zimmer im Pfarrhaus beziehen kannst, wird es noch eine Weile dauern.` Als ich nachts aber allein in der fremden Kammer lag, war nicht nur das kalte, helle Mondlicht daran schuld, dass ich nicht einschlafen konnte …”

Die Villa Bethania

“Ein Jahr darauf, als wir längst vom Pfarrhaus in die Villa Béthania umgezogen waren – natürlich mit all dem, was sich gut versteckt im Keller des alten Hauses befand – kamen die Tiere für Bérengers privaten Zoo, der zur Komplettierung seines Paradieses unbedingt erforderlich war. So hielten bei uns sprechende Aras Einzug, bunte Finken, Pfauen und obendrein ein Affe. Bérenger rief ihn Mela. Die Leute sperrten die Mäuler auf, wann immer sie ihn zu Gesicht bekamen, er war gewissermaßen ein lebendes Pendant zu Asmodi, dem Teufel, der Jahre später die Kirche zieren sollte.”

“Ich wusste aus Bérengers Tagebuch, dass es Boudets Plan war, Asmodi zu uns kommen zu lassen (den Teufel). Klauen, Hörner, Gabel, alles war vorhanden, was zu einem richtigen Dämon gehört. Die Manufaktur von Giscard & Söhne in Toulouse wird sich nicht wenig gewundert haben über diesen ungewöhnlichen Auftrag für eine Kirche.”

“´Wenn der ganze Sinn und Zweck dieses schrecklichen Wesens ist, zu eurem Amüsement die Leute zu erschrecken, dann finde ich euer Verhalten ebenso abscheulich wie den Teufel selbst`, hatte ich Bérenger am folgenden Abend an den Kopf geworfen, als wir wieder allein waren und ich sein neues, über und über mit Rosen besticktes Messgewand aufbügelte. Er aber hatte nur gelacht und gemeint, dass ich wie alle anderen Frauen in Rennes eine kleine, abergläubische Person sei, die mit Ginsterbüscheln in den Fenstern das Böse zu bannen suche, statt sich ihm zu stellen, und nichts, aber auch gar nichts verstanden habe.”

“Die Statuen der verschiedenen Heiligen, das Basrelief und das Giebelfeld wurden von Monsieur Giscard aus Toulouse ausgeführt … Bei den Baumaßnahmen entdeckten Handwerker ein weiteres altes, wenngleich leeres Versteck zwischen dem Glockenturm und der Diele. Fachleute meinten, dass es im 8. Jahrhundert angelegt worden sein könnte, und dadurch fand die Überzeugung der beiden Priester, Boudet und Saunière, eine weitere Bestätigung: Rennes-le-Château birgt mehr als ein Geheimnis!”

“Bérenger setzte seine Vorstellungen so entschlossen in die Tat um, dass der Gemeinderat gar nicht dazu kam, ihm Einhalt zu gebieten. Die Alten waren insgeheim froh, nicht selbst Hand anlegen zu müssen, und die Jüngeren freuten sich, dass die magere Gemeindekasse geschont wurde. “Der Abbé zahlt ja alles aus eigener Tasche! Was soll man ihm da reinreden”, brummten sie beschwichtigend, wenn Bauern aus den Dörfern ringsum ihnen vorhielten, dass sie all das duldeten. “Wo das Geld herkommt? Vom Schatz natürlich! Er muss doch einen gefunden haben, so wie die Sache aussieht.”

“Der Turm Magdala, den Boudet mit Vorliebe den “Turm der Uhr” nennt, weil er wie eine Sonnenuhr ausgerichtet ist, wurde nach Bérengers Wünschen im neugotischen Stil erbaut. Beim Ausheben des Fundaments entdeckten Bérenger und mein Vater einen verschütteten Geheimgang, der – wie man vermutet – einst ins Tal hinuntergeführt hat. Bérengers Nachforschungen ergaben, dass es sich um den letzten Überrest der beiden alten westgotischen Zitadellen handelte, die im Jahr 1362 durch einen gewissen Grafen von Trastamarre geschleift wurden. Eine Zeit, in der wahrscheinlich kein Mensch mehr im alten Rhedae anzutreffen war, denn ein Jahr zuvor hatte die Pest gewütet.”

“Der Fußboden im Untergeschoß ( Anmerk: des Turmes), wo sich die Bibliothek befindet, wurde mit grau-weißen Fliesen im Mäandermuster ausgelegt. Später riss sie Bérenger wieder heraus und ersetzte sie durch wundervolle, handbemalte Fliesen, so dass man auf den ersten Blick meint, einen kunstvoll geknüpften Teppich aus Persien vor sich zu haben.”

“Im Mondschein sah unsere Gartenanlage noch fantastischer aus als bei Tag. Juliette stieß ununterbrochen spitze Entzückungsschreie aus: “Ach, diese himmlische Terrasse – nein, eigentlich ist es ja eine Galerie – so hoch oben neben dem Gewächshaus …”

“Am Brunnen angekommen, zeigte Bérenger mit weit ausholenden Gebärden auf sein Reich: ´Madame Juliette, Sie sehen hier die gesamte Welt dargestellt.` Er wies mit seiner Laterne auf das Wasserbecken, aus dem gerade fünf große Fontänen aufspritzten. ´Das Wasser steht für das Meer, die Pflanzen ringsum für die Erde, und dort hinten, die Volieren mit den Vögeln – sie sind die Allegorie für die Luft.`
Juliette stieß ein halbersticktes ´Oh` hervor, was hätte sie in einem solchen Augenblick auch anderes sagen sollen …”
 

“Der weiße Kies knirschte unter unseren Füßen, und die gleichfalls weißen Rosen rechts und links des Weges dufteten unwiderstehlich. Unwiderstehlich sah auch Bérenger aus, wie er in seinem anthrazitfarbenen, hochgeschlossenen Priestergewand aufrecht und stolz neben Juliette einherschritt.”

Hic situs est …

Bérenger Saunière starb am 22. Januar 1917, seine Geliebte Marie (von ihm Marinette gerufen) überlebte ihn um sechsunddreißig Jahre. Bis zur Umbettung des Priesters lagen sie einträchtig nebeneinander auf dem Friedhof von Rennes-le-Château.


Die heutige Grabstätte des Priesters:

Im September 2004 ließ der Bürgermeister von Rennes-le-Château die Leiche von Saunière exhumieren und aus dem Friedhof entfernen. Ein neues Grabmal wurde für den ehemaligen Priester errichtet, das ihn besser vor Grabräubern schützt (Beton). Seit diesem Zeitpunkt ist der alte Friedhof für die breite Öffentlichkeit gesperrt.

 

(Fotos Privat HLK; Textauszüge aus “Die Erbin des Grals“, Copyright Helene Luise Köppel)

Nachstehend das handschriftliche Testament der Marie Dénarnaud, in dem sie einen gewissen Noel Corbu als ihren Erben einsetzt.
Aber das ist wieder eine andere Geschichte – die darauf wartet, erzählt zu werden!

Interessiert?

“Die Erbin des Grals” ist inzwischen neu aufglegt: Taschenbuch, 460 Seiten mit Farbabbildungen: Verlag BOD 20.–, E-Book Amazon 4.95 Euro.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Helene L. Köppel
my fantasy is my castle

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