Die Abtei Saint-André-de Soréde – und die Tiere aus der Hölle

Die Abtei Saint-André-de Soréde

Saint–André ist eine kleine französische Gemeinde im Département Pyrénées-Orientales in der Region Okzitanien. Sie gehört zum Arrondissement Céret und zum Kanton La Côte Vermeille, liegt etwa 16 Kilometer von Perpignan und 11 Kilometer von Collioure entfernt.
Bereits gegen Ende des 8. Jh. gründete hier der spanische Abt Miron ein Kloster, das er dem Heiligen Andreas widmete. Schon im Jahr 823 erhielt Miron eine schriftliche Bestätigung von Ludwig dem Frommen (778-840), einem Sohn Karls des Großen, die das Recht beinhaltete, seine Äbte frei zu wählen. Im Jahr 1789, während der französischen Revolution mussten die letzten Mönche das Kloster verlassen. Alle Besitztümer, auch der Kreuzgang, wurden abgebrochen, verkauft und teilweise in anderen Abteien der Umgebung weiterverwendet. Der Kreuzgang von Saint-André hatte nicht das Glück einer späteren Rekonstruktion, wie etwa die Abteien von Saint-Génis-des-Fontaines und Saint-Michel-de-Cuxa.

Von der ehemaligen Abtei ist heute nur die gleichnamige Abteikirche erhalten. Sie hat ihre Wurzeln im Jahr 820 n. Chr., wurde jedoch bereits hundert Jahre später durch einen Neubau aus großen Flusskieseln in der “Fischgrat-Technik” ersetzt. (In der römischen Technik des Opus spicatum)
Bei einer erneuten Erweiterung im 11. Jahrhundert blieben lediglich der untere Teil der Mauern und die Absiden erhalten.


Ein schönes Beispiel, wie die Baumeister im 11. Jahrhundert einen alten Türrahmen in ein schönes Fenster verwandelten, kann man am Foto unten links sehen!

Die kleinen Fotos können durch Anklicken vergrößert werden!

Romanik pur in Saint-André

Mauerwerk und Dekoration in der Kirche Saint-André sind charakteristisch für die Frühromanik des 11. Jahrhunderts, wobei der marmorne Türsturzbalken über der Eingangstür große Ähnlichkeit mit dem prachtvollen Türstock der benachbarten Kirche Saint-Genis-des Fontaines aufweist. Dieser konnte durch seine Inschrift datiert werden: Er stammt aus dem Jahr 1019/1020 – und war damit wohl das Vorbild für den Türsturzbalken der Kirche in Saint-André. Beide Balken zeigen mittig einen thronenden Christus – mit segnender Hand und dem Buch des Lebens – in einer Mandorla. Es gibt jedoch etliche Abweichungen in der Ausführung der beiden Kunstwerke: Der Türsturz in Saint-Genis erscheint strenger, naiver in der Darstellung – aber zugleich fast “hoheitsvoll”. Der Türsturz in Saint-André (hier fehlt die Inschrift!) kommt plastischer herüber, irgendwie natürlicher, menschlicher. Die Anzahl der dargestellten Apostel und Seraphime unterscheidet sich ebenfalls, wie auch der florale Schmuck, Palmetten genannt.
Wer immer diese Steinmetze waren, wie immer es sich verhielt:
Die herrlichen Skulpturen und Kunstwerke von Saint-André – die man heute im MUSEE D`ART ROMAN besichtigen kann (direkt neben der Kirche) – versetzen jeden Interessierten jählings ins 12. Jahrhundert – dem Höhepunkt der romanischen Kunst.
Ich selbst erinnerte mich bei meinem Besuch im Jahr 2008 spontan an die Bildwerke in der Prieuré de Serrabone oder an die Arbeiten aus der Werkstatt des Meisters von Cabestany.

Romanischer Altartisch in Saint André – und alte Fresken

Der Altartisch aus Marmor ist rundum mit aneinander gereihten, halbkreisförmigen und schräg geschliffenen Reliefen geschmückt. Die Dekoration stammt vermutlich aus Spanien; sie könnte von Byzanz her liturgische Bedeutung gehabt haben. Vom 9. – 11. Jh. wurden derartige Altartische in Narbonner Werkstätten fast serienmäßig hergestellt. Eine karolingische Elfenbeinarbeit (Eigentum der Kathedrale von Narbonne), soll als Vorlage gedient haben.

Islamische Kunst in Saint André

Die historischen Provinzen Roussillon und Katalonien waren im 10. und 11. Jahrhundert in Kontakt mit den islamischen Gebieten Spaniens. Junge Katalanen standen damals nicht selten als Söldner im Dienst arabischer Prinzen, bevor diese als Unterworfene (während der Reconquista*) selbst Tribut zahlen mussten. Das war die Zeit, in der mitunter kostbare Stücke christlichen Kirchen zum Kauf angeboten wurden, die sie dann oft im sakralen Bereich einsetzten.
Beispiele hierfür: Der Hostienbehälter aus Elfenbein von Narbonne, das silbernes Tintenfass von Brouilla (in der Nähe von Saint–André) oder der Mantelstoff der Madonna von Thuit.
Absolut rätselhaft ist jedoch noch heute die Islamische Stele aus dem 13. Jahrhundert, die während einer Restauration im Mauerwerk von Saint-André entdeckt wurde. (Maria wird auch im Koran als jungfräuliche Mutter Jesu erwähnt).

*Die Reconquista dauerte vom Jahr 722 (Schlacht von Covadonga) bis zum Jahr 1492 (Eroberung Granadas) und bezeichnet die Zeit der Rückeroberung der von Mauren besetzten Gebiete auf der iberischen Halbinsel durch die Christen.

Die Simioten – “Tiere aus der Hölle”

Bei den im Außenbereich der Kirche von Saint André angebrachten Tiere (vergleichbar mit Exemplaren aus der Abtei von Arles-sur-Tech), handelt es sich um sog. Simioten – in der katalanischen und pyrenäischen Mythologie als “teuflische Kreaturen” bekannt, die Affen ähneln. Andere Quellen sprechen von “fressenden Löwen”.

Zum Vergleich die beiden Simiots, die ich 2015 in Arles-sur-Tech fotografiert habe:

Vielen Dank für Ihr Interesse!

Magische Orte in der Umgebung von Saint André

Collioure, Elne, Santa Maria del Vilar, Saint-Genis-des-Fontaines, Abtei Fontfroide, Elne, Cabestany, Palau-del-Vidre

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