Béziers

In Memoriam Béziers …

 

Im Mai 2009 lernte ich Béziers näher kennen, eine südfranzösische Stadt, die in meinem historischen Roman ALIX – Das Schicksalsrad eine Rolle spielt.

Ai! Tolosa e Provença e la terra d` Argença, Besers et Carcassei:

Com vos vi et c`us vei!

O weh! Toulouse und Provence,
Und auch ihr, Land an der Argens,
Béziers und Carcassonne:
Wie habe ich euch gesehen,
wie muss ich euch jetzt sehen!

Bertrand Sicard de Marvéjols,
Troubadour, um 1200

 

 

Béziers (ca. 80 000 Einwohner) liegt auf einem Karsthügel über dem Fluss Orb. In vorrömischer Zeit existierte hier ein keltisches Oppidum; in römischer Zeit eine wichtige Etappenstation auf der Via Domitia. Im Hochmittelalter herrschte der berühmte Vizegraf von Albi und Carcassonne, Raymond-Roger Trencavel (1185-1209) mit seinen Konsuln über die wohlhabende Stadtrepublik: Ein junger Mann mit blondem Haar, wie er beschrieben wird, freigiebig, gebildet und tolerant. Als Vasall des Grafen von Toulouse beschützte er sowohl die Juden als auch die Katharer.

 

 

Wilhelm von Tudéla schreibt über den jungen Trencavel:

“Er ist überaus christlich gesinnt … Aber er ist jung, hélas, und zu gutgläubig. Er lacht mit seinen Leuten, ist mit seinen Rittern gut Freund und dabei kaum wie ein Gebieter.” (Chanson 15, 1 ff.)

 

Von seinem einst stolzen Schloss in Béziers ist leider nur ein kümmerlicher Rest erhalten geblieben:

 

In Béziers gab es im Mittelalter aber nicht nur viele Katharer, sondern auch eine große jüdische Gemeinde – und die Geschichte, dass sich Raymond-Roger Trencavel vor dem Einfall der Kreuzfahrer mit einem Großteil dieser Juden davonmachte, um sie in Carcassonne in Sicherheit zu bringen. Vergebens, wie man heute weiß …

 

 

Im nächsten Bild sehen Sie eine der festlich geschmückten Gassen mit dem Wappen des Trencavel (schwarze Hermeline)

 

Vor 800 Jahren …

Am 22. und 23. Mai 2009 durfte ich an den Feierlichkeiten zum 800sten Gedenken an die Belagerung der Kreuzfahrer aus dem Norden Frankreichs teilnehmen.

Ein Zufall oder Absicht?

Das Massaker fand jedoch ursprünglich am 22. Juli 1209 statt, am Tag der Heiligen Maria Magdalena. Der Chronist des Albigenserkreuzzugs, der Zisterziensermönch Pierre des Vaux-de-Cernay, schreibt darüber:
“Die mehrfach genannte Stadt Béziers wurde 1209 am Tag der heiligen MM (22. Juli) eingenommen. Wie wir zu Beginn dieses Buches ausgeführt haben, behaupten die Häretiker, dass die heilige MM die Konkubine Christi gewesen sei.”


Hier die Einladung zum Festakt:

 

 

Das Hotel, in dem ich untergebracht war, lag im Stadtzentrum; alle Veranstaltungsorte waren fußläufig erreichbar. (Ich kann das Haus wärmstens empfehlen).

 

Kaum, dass der Koffer ausgepackt war, ging es los: Die ersten Böllerschüsse waren zu hören:

DIE BELAGERUNG VON BEZIERS WURDE NACHGESPIELT!

 

Auf der breiten Straße, direkt vor dem Hotel, war ein bunter Mittelaltermarkt aufgebaut:

 

 

… auf dem allerlei Kurioses zu sehen und zu hören war:

 

 

Dualismus … (augenzwinkernd!)

 

Operationsbestecke anno dazumal …


Das okzitanische Kreuz

Und überall gelb auf rot das okzitanische Kreuz – das Wappen der Grafen von Toulouse, die im Mittelalter (12./ 13. Jh) zu den ruhm- und einflussreichsten Fürsten des Südens zählten, verwandt und verbündet mit dem Vizegrafen Trencavel.

 

Selbst auf der “Satteldecke” für den Hund zu sehen:

 

 

Einer der tapferen Verteidiger der Stadt
– nun völlig erschöpft! 🙂

 


Der eigentliche Festakt


fand bei Einbruch der Dunkelheit statt und zwar vor der berühmt-berüchtigten Magdalenenkirche, in der im Jahr 1209 die Einwohner Schutz vor den hereinbrechenden Horden der Kreuzfahrer suchten – und ein schreckliches Ende fanden.

“Tötet sie alle (Katholiken, Katharer, Juden) – Gott wird die Seinen schon erkennen!”

(Arnaud Amaury, Zisterzienserabt und
und Geistlicher Anführer der Kreuzfahrer)

 

 

Schon ab 20 Uhr wuchs die Besucherschlange und sie wurde länger und länger …

 

 

Erst spät ging es los, wie immer in Frankreich! Die Kirche war mit großen weißen Tüchern abgehängt und eine Licht-Show zeigte das mittelalterliche Geschehen:

 

 

“Se Canta …”

Als zum Schluss die Kapelle “Oc” das alte okzitanische Lied Se Canta spielte, fielen gute tausend Stimmen ein:
Die Bitterois (wie man die Leute von Béziers nennt) sangen dieses Lied nicht zuletzt im Gedenken an Raymond-Roger Trencavel – und sie taten dies mit Hingabe und Leidenschaft, was nicht nur mich zu Tränen rührte …

 

 

“Dejos ma fenèstra, l a un auselon,

tota la nuèch canta, canta sa cancon …

Se canta, que cante, Canta pas per ieu,

Canta per ma mia, Qu`es al luèn de ieu.

Der Festumzug am nächsten Morgen

Am nächsten Morgen wälzte sich ein farbenprächtiger (und lautstarker) Umzug durch die festlich geschmückte Stadt:

 

ANHANG

BÉZIERS UND DIE KAPELLE DER BLAUEN BÜSSER – oder wie Maria Magdalena nach Südfrankreich kam …

Auf die Kapelle der Blauen Büßer von Béziers hatte mich vor Jahren mein Freund Hannes Stuber aufmerksam gemacht. Und nachdem ich mich im Jahr zuvor, während der Recherche zu meinem Thriller Die Affäre C., ausgiebig mit den Sanch-Bußbruderschaften beschäftigt hatte, war diese Kapelle mein Ziel am nächsten Tag.

Das Gebäude (die Fassade im Flamboyant-Stil) stammt aus dem 14. Jahrhundert, wurde also nach dem Albigenserkreuzzug errichtet.
Die Gemeinschaft der sog. “Cordeliers” (in Béziers die “Blauen Büßer”) existierte jedoch schon vorher.

 

 

Im Inneren der Kapelle fielen erst einmal die Statuen der “üblichen Verdächtigen” 🙂 ins Auge, d.h. derjenigen Heiligen, die man im Süden Frankreichs in fast allen Kirchen begegnet, als da sind: Antonius mit dem Kinde (spaßeshalber auch “Kindles-Toni” genannt); der drachentötende Michael; die Heilige Germaine mit ihrem Rosenschürzen …

 

… doch ruht hier auch ein geheimnisvolles “Schneewittchen im Glassarg”. Maria Magdalena, die Frau, von der die Katharer behauptet hätten, sie sei die Konkubine Christi gewesen? (Aussage des Chronisten Pierre des Vaux-de-Cernay, s.o.)

 

 

 

Ob das wirklich stimmt, weiß niemand. Aber ich entdeckte Maria Magdalena nochmals in dieser Kapelle:
Eine, wie ich finde, ausdrucksstarke Szene, beruhend auf der Legende, dass sie nach Jesu Tod mit dem Schiff nach Frankreich gekommen wäre …

 

 

Maria Magdalenas Reise übers Meer!

 

 

Ein Engel rudert die zwei Marien, Sara hat bereits Land unter den Füßen, Magdalena deutet auf eine Stadt – ist es Jerusalem, von wo sie herkommt? Oder ist es das “gelobte Land” in Frankreich, die Stadt Marseille?
Der fliegende Schutzengel deutet seinerseits auf einen Stern.

Eine ähnliche Darstellung entdeckte ich übrigens in der Eremitage von Collioure:

 

Mit einem Blick auf die Kathedrale Saint-Nazaire, deren ehemaliger Turm bei der Belagerung von Béziers in tausend Stücke zerbarst, schließe ich meinen Artikel und bedanke mich für die Aufmerksamkeit!

Helene L. Köppel

(Literaturtipp: Das Massaker von Béziers, das die christlichen Kreuzfahrer des Nordens im Sommer 1209 anrichteten, wird in meinem Roman “Alix: Das Schicksalsrad” ausführlich geschildert: 532 Seiten, Taschenbuch, E-book und Kindle Unlimited)

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