Das keltische Oppidum Ensérune, die Via Domitia – und der Kanaltunnel von Malpas

Das alte Oppidum Ensérune – seine Geschichte und die Geschichte seiner Wiederentdeckung

Inmitten einer brettflachen Umgebung liegt auf einem langgestreckten und mit Zypressen reich bestückten Hügel das ehemalige Oppidum Ensérune – das im Altertum einige Bedeutung besaß.
Heute ist der Ort, westlich von Béziers gelegen – eine Art Freilandmuseum – eine historische Sehenswürdigkeit, denn Ensérune gilt als typisches Beispiel für die in der Eisenzeit begehrten Siedlungsstätten.

Von hier oben, auf 120 Meter Höhe, hatten die Kelten, die Ensérune ursprünglich besiedelten, einen ausgezeichneten Panoramablick über das umliegende Land. Ensérune beherrschte die Landenge zwischen dem Etang de Vendres und dem Etang von Capestang, lag also an einer wichtigen Verkehrsachse, auf der schon in grauer Zeit zahlreiche Völkerwanderungen stattfanden. So zogen hier auch die Volksstämme der sog. “Urnenfelderkulturen” vorüber. Später die Iberer und Kelten.

Kleiner Rundgang durch die Archäologische Stätte

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Herkules, Hannibal – und dann die Römer

Der Legende nach soll die ursprüngliche Straße, die an Ensérune vorbeiführt, der antike Weg gewesen sein, den Herkules bei seiner 10. Arbeit benutzte, als er das Vieh von Geryon aus Erytheia (Cadiz, Spanien) holte und zurück nach Mykene (Peloponnes, Griechenland) brachte.

Während des Zweiten Punischen Krieges*, um das Jahr 218 v. Chr., marschierte hier Hannibal vorüber, auf dem Weg über die Pyrenäen nach Italien. In seiner Begleitung fünfzigtausend Soldaten, neuntausend Reiter und siebenunddreißig Schlachtelefanten.

* Der Zweite Punische Krieg wurde von 218 v. Chr. bis 202 v. Chr. zwischen den Römern und den Karthagern (lateinisch Punier) ausgetragen.

Die “Via Domitia” – die erste Römerstraße in Gallien

Hundert Jahre nach Hannibal erschien der römische Prokonsul Domitius Ahenobarbus auf der Bildfläche, der Narbonne gründete.
Domitius baute die vorhandene alte Straße aus, die später seinen Namen erhielt: “Via Domitia”.
Danach war hier der Teufel los: Ob Eroberer, Händler oder Menschen auf der Flucht, alle nutzten diese Straße: Westgoten, Sarazenen, Franken und etappenweise auch Santiago-Pilger.
(Karte rechts: Wikipedia)

Irgendwann wurde Ensérune aufgegeben. Vermutlich nach und nach. Der Grund dafür ist nicht bekannt.
Um das Jahr 1248, also im Hochmittelalter, wurde schließlich auch der riesige Teich aufgegeben, der unterhalb des Hügels inmitten von Feldern und Weingärten lag. Das Areal, das heute ausschaut wie ein überdimensionaler Strahlenstern, senkt sich auffällig zur Mitte ab, was an den Abzugsgräben liegt, deren Wasser ein unterirdischer Kanal zum einstigen Etang von Capestang leitet. (Foto unten)

Ensérune – die Wiederentdeckung der verschwundenen Stadt im Jahr 1915


Dass Ensérune – ein Hügel mit nur 750 Meter Länge und 150 Meter Breite – eine alte Geschichte hat und ein “Vorposten Galliens” war, beweist auch der Reichtum der vielen ausgegrabenen Funde: Grabbeigaben aus der Eisenzeit, Eisenschwerter und andere Waffen, attische Vasen, römische Amphoren, medizinische Instrumente, Bronzestatuetten und -schmuck, Münzen
Gegraben wurde hier ab dem Jahr 1915, und zwar auf Veranlassung des damaligen Grundeigentümers, der eigentlich nach seltenen Pflanzen suchte – und plötzlich im Dickicht eine unter den Sedimenten verborgene Stadt entdeckte, die in ihrer Blütezeit acht- bis zehntausend Einwohner beherbergte.
(Foto links unten, das kleine Museum)

Ensérune und seine Vorratshaltung


Die ersten Menschen, die auf Ensérune siedelten, hausten wohl verstreut in einfachen Hütten. Erst in der zweiten Besiedlungszeit, die bis 220 v. Chr. dauerte, entstand eine richtige Siedlung mit engen Gassen und schlichten Steinhäusern – darunter aber auch Bauten nach griechisch-römischem Vorbild mit Säulengalerien. Ringsum zog sich ein Zyklopenmauerwerk. An den Hängen hat man Terrassengärten angelegt.
Doch je mehr Menschen sich hier niederließen, umso wichtiger wurde die Bevorratung. Auf dem markierten Rundweg durch die archäologische Stätte kann man noch die alten Silos für das Getreide sehen, zur Hälfte in den Boden eingegraben. Aufgrund der problematischen Wasserversorgung auf dem Hügel hatte man ein ganzes System an Zisternen angelegt. Über 40 Regenspeicher wurden bislang entdeckt, der größte 5 Meter tief.

Der Kanal-Tunnel von Malpas

Für den Fall, dass es auch Sie irgendwann nach Ensèrune verschlägt:

Grüßen Sie bitte den netten Esel von mir 🙂 – und besuchen Sie auch den in der Nähe gelegenen Kanaltunnel von Malpas am Canal-du-Midi!
Der Tunnel – eine der Meisterleistungen von Riquet* – führt unter dem Hügel von Ensérune hindurch. Er gilt als der erste gebaute Kanaltunnel weltweit.

* Pierre-Paul Riquet (1609-1680) war der Erbauer des 240 km langen Canal-du-Midi, der die Stadt Toulouse mit dem Mittelmeer verbindet.

Ahoi, und Danke für Ihre Begleitung!

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