
La Serenidad – Gelassenheit …
“La Serenidad” (spanisch für “Gelassenheit”) ist das Wort, das mir sofort einfällt, wenn ich an meinen Aufenthalt in Cádiz denke. Das Gefühl, dass die Bewohner, die “Gaditanos”, wie man sie hier nennt – gleich welchen Geschlechts oder Alters – ihr Leben weitgehend im Einklang mit sich selbst führen, war in dieser Zeit ständig präsent. Wie habe ich den Kreis der fröhlichen Frauen bewundert (zugegeben, auch etwas beneidet!), die wie selbstverständlich wochentags ihre Nachmittage am Strand mit Bingo-Spielen verbrachten. Wieder andere führten stolz ihre eleganten Windhunde auf dem Campo del Sur oder der langen Uferpromenade aus, immer ein Lächeln oder ein freundliches ¡Hola! auf den Lippen. Dann die Händlerinnen und Händler auf den Märkten, die Kellner und Kellnerinnen: Stets fleißig und freundlich – aber niemals gestresst! Gern denke ich auch an das junge Hochzeitspaar, das eines Abends, begleitet von Freunden, zum Fototermin in “meiner” Strandbar auftauchte – den Atlantik im Rücken, der weiße Brautschleier vom Wind gebauscht … Gelassenheit!
Ich gebe zu, dass ich mich (gestresst vom ganz normalen Wahnsinn im Jahr 2022, aber auch vom monatelangen intensiven Schreiben an meinem Roman “Abkehr”) von dieser lockeren Einstellung zum Leben sehr schnell habe anstecken lassen! 🙂
Tägliches Ritual – Bingo am Strand 🙂
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Sonnenuntergang am Meer – und noch viel mehr …
Allein das Schlendern durch die schattigen Gassen der Altstadt, das Betrachten der unterschiedlichsten Stile in der Architektur, die Ruhe in den Parks – aber auch das Meer, der stetige Wechsel von Ebbe und Flut und die spektakulären Sonnenuntergänge, haben meiner Seele gut getan. Zum Wohlbefinden beigetragen hat sicherlich auch mein abendliches Ritual: ein Glas kalten Rosé in der Strandbar und die lokale (leichte!) Küche mit Fischen und Meeresfrüchten aller Art.
Kurz: Die Alltags-Schraube lockerte sich innerhalb weniger Tage, innere Ruhe trat ein.
Gelassenheit …
Lost in Cádiz?
Allerdings kann es in Cádiz mit der Gelassenheit kurzfristig schnell vorbei sein, nämlich dann, wenn man sich plötzlich in der Altstadt verirrt. Die Häuserschluchten in den Vierteln El Pópulo, La Viña und Santa María mit ihren endlos langen und schmalen Gassen verengen den Blick aufs Ganze. Biegt man erschrocken ab, in eine Nebengasse oder eine andere Straße, sieht es dort kaum anders aus, und man fragt sich, wo zum Teufel man hier gestrandet ist …
Blick vom Turm der Kathedrale auf die Stadt Rathaus von Cádiz, 17. Jh
Das Rathaus von Cádiz stammt aus dem 17. Jahrhundert. Über der Balkonreihe an der Fassade befindet sich ein Herkules-Relief (Gründer und Herrscher der Stadt), sowie eine Inschrift: „Muy noble, muy leal y muy heroica ciudad de Cádiz” (übersetzt: Der höchst ehrenwerten, treuen und heldenhaften Stadt Cádiz.)
Ein “Zipfel” Blau
als Wegweiser?
Keine Panik! Hat man sich in Cádiz tatsächlich verirrt, verlässt man sich am besten auf sein Bauchgefühl. Smartphone und Stadtplan sind nicht nötig, denn die Altstadt ist trotz allem übersichtlich. Zwangsläufig stößt man bald auf einen der markanten Plätze, wo man sich wieder zurechtfindet. Und manchmal entdeckt man aus der Ferne sogar einen “Zipfel” Blau – d.h. den Atlantik, dem man in dieser, fast vollständig vom Meer umgebenen Hafenstadt nie aus dem Weg gehen kann.
Treiben lassen in Cádiz …
Mein Tipp: In den ersten Tagen in Cádiz lässt man sich am besten treiben. Es ist die Zeit der Entdeckungen: Die farbenprächtigen Häuser und Paläste aus der Epoche des Jugendstils beispielsweise, die mit Palmen bestandenen Plätze, das Gran Teatro Falla (Theater) mit seinen roten Klinkersteinen, die bizarren, jahrhundertealten Ficus-Bäume, die zahlreichen Kirchen, bunten Geschäfte und einladenden Lokale, die großen Parks, der Blumenmarkt, das stattliche Rathaus, die Markthalle mit ihren Köstlichkeiten, darunter stets fangfrische Fische und Meeresfrüchte …
Es sei denn, man zieht es vor, sofort auf den Spuren der Römer und Phönizier zu wandeln, die früher hier das Sagen hatten (Cádiz gilt als die älteste Stadt Europas!)
Egal für was man sich an den ersten Tagen entscheidet:
Alles, wirklich alles, liegt nahe beieinander in der Altstadt von Cádiz und ist fußläufig erreichbar – und über allem liegt bereits, versprochen, ein Hauch von Afrika!
(Befindet sich Gibraltar ja gewissermaßen vor der Haustür.)
Teatro Romano in Cádiz
Das Flair der Stadt genießen …
Plaza de San Juan de Dios
Wohlfühlen in Cádiz …
Nach der allerersten Schnuppertour (und/oder der Besichtigung der beiden Kathedralen) gönnt man sich vielleicht einen gemütlichen Café con leche & Churros im Freien, auf dem großen Vorplatz der Kathedrale. Die Kinder dürfen derweil Karussell fahren. Übrigens: wer gute Ohren hat, kann das Zwitschern der Vögel hören, deren Käfige in den Fensteröffnungen etlicher Häuser stehen. Aber am besten streckt man nur die müden Beine aus, schließt kurz die Augen und atmet ganz tief durch: Gelassenheit!
Cádiz ist tatsächlich nie überfüllt (allenfalls an den Tagen, an denen ein Kreuzfahrtschiff für einige Stunden hier anlegt).
Weitere Sinnesreize, Entdeckungen – aber auch Ruhe und Erholung – findet man im malerischen Parque Genovés, wo sich auch eine Grotte mit Wasserfall und ein See mit Enten befinden, und wo man ganz nebenbei Hunderte botanische Arten aus aller Welt bestaunen kann.
Cádiz – Neue Kathedrale
Einer der uralten Ficus-Bäume in der Stadt Cádiz
Die wundertätige Virgen de la Palma, Cádiz und das Erdbeben von Lissabon im Jahr 1755.
Das schwere Erdbeben von Lissabon am 1. November 1755 hatte sogar Auswirkungen auf die Stadt Cádiz, 350 km Luftlinie entfernt. (In meinem Roman “Affäre Calas” beziehe ich mich im Zusammenhang mit Voltaire auf dieses Unglück.) Das Beben hatte eine Stärke 8 – 9 auf der Richter-Skala, gefolgt von einer gewaltigen Flutwelle. Lissabon wurde an diesem Tag fast völlig zerstört. Bei meinem Cádiz-Aufenthalt im September 2022 stieß ich unweit meiner Ferienwohnung auf ein Plakat, das auf die seinerzeitigen Auswirkungen dieses Tsunamis in Cádiz aufmerksam macht. Der damalige Wasserpegel betrug in dieser Gasse 2,50 m.
Dabei erfuhr ich, dass das Bildnis einer Marienfigur – Virgen de la Palma – die in der kleinen Kirche von La Palma “zuhause” ist, ein Wunder bewirkt haben soll: Die Wassermassen wurden während der Bittprozession aufgehalten, Cádiz gerettet.
Ort des Geschehens, geschmückt für die Gedenk-Prozession
Virgen de la Palma Kirche von La Palma, Cádiz
Treffpunkt halb acht in der Strandbar? Oder heute mal woanders?
Abendessen in Cádiz –
gerne ungezwungen, gerne im Freien – aber selten vor 21 Uhr!
La Noche – es wird Nacht in Cádiz. Ruhe kehrt ein in der Stadt.
Lebensmotto der Gaditanos?
“Weise ist der Mensch, der Dingen nicht nachtrauert, die er nicht besitzt, sondern sich der Dinge erfreut, die er hat!”
(Epiktet)
Vielen Dank für Ihr Interesse an Cádiz!
Mehr dazu hier:
Cádiz – im Wandel der Zeiten, Teil I
Cádiz – im Wandel der Zeiten, Teil II.
Cádiz – im Wandel der Zeiten, Teil IV, Die Kathedralen