Dijon – “folgt dem Flug der Eule!”

“Welch schöne Stadt!”, hat der Ritterkönig Franz I.* ausgerufen, als er Dijon sah, wobei er besonders von der großen Zahl der Türme beeindruckt war, die es hier früher gab. Die im Osten Frankreichs liegende Hauptstadt des Départements Côte-d’Or ist zugleich die Hauptstadt der Region Bourgogne-Franche-Comté. Dijon, mit ungefähr 150 000 Einwohnern ist ein Verkehrs-, Handels- und Industriezentrum, aber auch Sitz der Université de Bourgogne, die 1722 gegründet wurde. Bereits in römischer Zeit lag Dijon an einer wichtigen Fernstraße, deren Reste sich nördlich der Stadt bei Bretigny erhalten haben. Heute liegt die Stadt an der A 31 (Beaune-Luxemburg) und ist Ausgangspunkt der A 38 nach Paris und der A 39 in Richtung Bourg-en-Bresse.
Der Besucher trifft auf ein gepflegtes historisches Zentrum mit pittoresken mittelalterlichen Häusern, prachtvollen Gebäuden aus dem 17. und 18. Jahrhundert, auf reich ausgestattete Gotteshäuser, viele Grünanlagen und Fußgängerzonen. Besondere Bedeutung hat hier der Weinbau der Côte de Nuits, eines Gebietes, das in unmittelbarer Nähe von Dijon liegt – und natürlich der leckere scharfe Tafelsenf, der nach der Stadt benannt ist.
Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft – in Dijon sind alle Zeiten harmonisch vereint.

*Franz I., auch genannt der Ritterkönig, war ein französischer König aus dem Haus Valois-Angoulême, einer Nebenlinie des Hauses Valois. Er wurde am 25. Januar 1515 in der Kathedrale von Reims zum König von Frankreich gesalbt und regierte das Land bis zu seinem Tod 1547.

Die kleinen Bilder können durch Anklicken vergrößert werden!

Die buntglasierten Dächer sind typisch für die Region Burgund

Dijon – vor dem 10. Jahrhundert

Vor dem 10. Jahrhundert war Dijon ein bescheidenes Städtchen. Erst als Hauptstadt der Großen Herzöge von Valois kam es zu Ruhm und Ehre. Bei den Grands Ducs (14. – 15. Jh.) handelte es sich um Philipp den Kühnen, Johann Ohnefurcht, Philipp den Guten und Karl den Kühnen.
Nach dem Tode Karls des Kühnen fiel die Stadt mit dem gesamten Burgund an Frankreich zurück. Das heutige historische Zentrum zeugt mit seinem Reichtum an Gebäuden und Museen noch von dieser Zeit.

Die während der Revolution leider zerstörte Sainte-Chapelle der Herzöge: Hier traf sich der Orden vom Goldenen Vlies, den Philipp der Gute 1429 gegründet hatte (Reaktion auf die Zerschlagung des Templerordens durch Philipp den Schönen.)
Linkes Bild: La Sainte-Chapelle du palais des ducs de Bourgogne, Detail einer Ansicht des Palasts 1688 von Jules Hardouin-Mansart.

Die vier Großen Herzöge machten Dijon zu ihrer Hauptstadt

Die Kathedrale von Dijon – wo man von unzähligen Wasserspeiern und vom Teufel persönlich begrüßt wird …

Notre-Dame de Dijon ist ein gotisches Bauwerk. Die Arbeiten wurden im Jahr 1230 begonnen und endeten im Jahr 1251. Die ungewöhnliche Westfassade zeigt über der schmalen offenen Vorhalle (Narthex), die in das Gebäude integriert ist, zwei Geschosse von Arkadenreihen, mit drei Reihen von Gargoyles (Wasserspeiern). Flankiert wird die Fassade von zwei säulenartigen runden Türmen.
Zum Teufel: Die Löcher in den Mundwinkel dienten früher als Schließbleche für die alten Schlösser der beiden Türflügel. Der eiserne Ring zwischen seinen Zähnen bedeutet, dass das Böse an den Eingang der Kirche gekettet bleibt! Also keine Angst beim Eintritt in die Kathedrale! 🙂

Notre-Dame du Bon-Espoir – Die Schutzherrin von Dijon

Die Schwarze Madonna von Dijon ist eine Besonderheit. In meinem Roman “Talmi”, in dem eine kleine, bunt zusammengewürfelte Reisegruppe erstmals Dijon besucht, wird die Madonna vorgestellt:

“Nach der Eucharistiefeier leerte sich zwar die Kathedrale, die berühmte Madonna jedoch, mit einer steifen weißen Robe bekleidet, war jetzt von gläubigen Frauen regelrecht belagert. Lisa hatte Mühe, auch nur einen Blick auf das längliche, wilde Gesicht zu werfen, das aus dem zeltartigen Gewand lugte.
‘Wieso hat sie eigentlich kein Kind auf dem Arm?’, flüsterte Anne-Sophie.
‘Hier hast du die Antwort’, sagte Walter hinter ihrem Rücken, “es ist noch nicht geboren!”
Alle starrten auf die Kunstkarte, die er inzwischen gekauft hatte. Auf ihr war die Madonna in ihrem Originalzustand zu sehen, so wie der Künstler sie vor nahezu tausend Jahren aus dunklem Holz geschnitzt hatte: Ein nackte hochschwangere Frau mit schweren Brüsten …”

“Talmi”, Helene L. Köppel, S. 86 ff


Der Autor Ean Begg, der sich ausgiebig mit den Schwarzen Madonnen befasst hat, beschreibt die Dijon-Madonna folgendermaßen:

Notre-Dame du Bon-Espoir*, auch du Rapport oder du Marche, in der Kirche von Notre Dame, Dijon. Eichenfigur aus dem 12. Jh., im Unterschied zu anderen Schwarzen Madonnen Hängebrüste und vorstehender Bauch. Sie ist mit galloromanischen Statuen von Kybele und Isis verglichen worden, wirkt jedoch eher wie eine germanisch-keltische “gute Hexe”.

* gute Hoffnung

The Cult of The Black Virgin”, London 1985

Folgt dem Flug der Eule … (aus “Talmi” …)

‘Es soll hier eine Eule geben, Madame, die eng mit der Geschichte von Dijon verbunden ist? Haben Sie davon schon gehört?’, fragte Lisa eine Passantin.
‘Mais qui’, antwortete die Französin und deutete mit dem Silberknauf ihres Stocks auf den Gehweg. ‘Sie sind im Begriff, auf eine zu treten.’
Erschrocken zog Lisa den Fuß zurück und starrte auf den Trottoir, wo in fast jeder zweiten Steinplatte eine kleine Messing-Eule eingelassen war, was sie bei ihrer Ankunft übersehen hatten. ‘Ein Wegweiser?’, fragte sie die Dame.
‘Der wohin führt?’, hakte Walter Schilcher nach, das graumelierte Haar noch feucht vom Duschen. Unbemerkt hatte er sich an Lisa herangepirscht. Hinter ihm drängten lachend Nigel, Frédéric und Anne-Sophie aus dem Hotel. Die alte Frau sah zu Walter hoch und lächelte ihn verschmitzt an. Dann deutete sie erneut mit ihrem Gehstock auf den Boden: ‘Zur ehrwürdigen Chouette, Monsieur, die demjenigen Glück bringt, der sie streichelt. Folgt dem Flug der Eule!”

“Talmi”, Helene L. Köppel, S. 86 ff

Die Eule von Dijon, die sich an der Außenmauer der Kathedrale, in der benachbarten Rue de la Chouette, an einem Pfeiler befindet, ist heute sehr alt und schon ganz mager vom vielen Streicheln. Sie wird mindestens ebenso “verehrt” wie die Schwarze Madonna, denn zwischen beiden gibt es einen Zusammenhang:
Es heißt, die Menschen in alter Zeit hätten die Virgo paritura, also die noch gebärende Jungfrau, auch in Gestalt einer weisen Eule verehrt.

Ganz wichtig: Damit die Eule Glück bringt, sollte man sie mit der linken Hand streicheln! 🙂

Abschied von Dijon – und vom Ritterkönig Franz I.

Weitere Sehenswürdigkeiten:

Herzogspalast,
Musée des Beaux-Arts,
Kirche Saint-Michel,
Musée Magnin,
Justizpalast,
Kathedrale Saint-Bénigne,
Archäologisches Museum,
Kirchen Saint-Philibert und Saint-Jean,
Jardins de l` Arquebuse
.

Jährliche Veranstaltungen in Dijon:

Mai: “Jazz in der Stadt”, “Theater im Mai”,
Juni: “Musiksommer”; Festival “Estivade”,
September: “Festival der Abenteuerfilme”, “Open du Rock” sowie Festival Nouvelles Scènes – Theaterfestspiel.


Übrigens: Die besondere Qualität des Dijon-Senfs, der angeblich auf das 13. Jahrhundert zurückgeht, wurde einst auf den Burgunderwein der Region zurückgeführt. 


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Vielen Dank für Ihr Interesse!

Die Freundinnen der Frauen
“Schwarz bin ich, aber schön …”

Es sind meist Frauen, die es zu den “Schwarzen Madonnen” (Romanische Madonnen) hinzieht. Doch weshalb sind diese Madonnen schwarz? Und warum werden sie auch noch “schwarz” genannt, wenn sie es gar nicht sind?

Es gibt viele Erklärungsversuche. So spricht beispielsweise die von den Frauen hochverehrte Schwarze Madonna von Le Puy (Auvergne, s. Foto rechts) in einem aus dem Jahr 1518 stammenden Gedicht jenen berühmten Satz, der der Königin von Saba zugesprochen wird: Nigra sum, sed formosa – Schwarz bin ich, aber schön!
Er ist im Hohen Lied zu finden, in jenem einzigartigen Liebesgedicht, das Aufnahme in die Bibel fand: „Schwarz bin ich und schön, ihr Töchter Jerusalems, schwarz wie die Zelte Kedars, schön wie die Zeltdecken Salomons.
Die Königin von Saba stammte aus Äthiopien. Sie war schwarz und schön – und vermutlich auch klug. Doch was hat sie mit dem weltweiten Kult um die Schwarzen Madonnen zu schaffen?

Die katholische Kirche spielt das Phänomen herunter und behauptet, viele Romanische Madonnen (11. – 13. Jh.) seien aufgrund äußerlicher Einflüsse rein zufällig schwarz geworden. Aber das stimmt nur in den seltensten Fällen.

Mataria – Mata-Meri – Mari

Um das Jahr 80 v. Chr. hatten die Römer mit wahrer Begeisterung den alten Isis-Kult angenommen. Isis, deren ägyptischer Name lange Zeit “Mataria” war, “Mata-Meri” oder auch “Mari”, wurde zu einer der beliebtesten Göttinnen und geriet nie ganz in Vergessenheit, zumal zu Beginn des Christentums das Interesse der christuszentrierten Kirche an Maria nur gering war. Aus diesem Grund wurden auch noch im Mittelalter überall in Europa auch die alten weiblichen Gottheiten verehrt – darunter Freya, die den Feudaltitel “Frau, Herrin” trug.  Erst als im 12. Jh. auch die Jungfrau Maria diesen Titel erhielt (Notre Dame), trat eine Veränderung ein: Isis, Artemis (die Schwarze Diana!), Demeter, Freya und all die anderen Göttinnen gerieten sukzessive in Vergessenheit. Man kann sich daher ausmalen, wie groß die Verblüffung einiger christlicher Kreuzfahrer war, als sie im Heiligen Land auf Isis-Abbildungen stießen: Da saß eine junge Frau mit Kind auf einem Thron, die nicht nur einen ähnlichen Namen wie Maria trug, sondern auch vergleichbare Ehrentitel: “Himmelskönigin, Gnadenspenderin, Meereskönigin, Sancta Regina …”!

Ein Pariser Kardinal greift durch

… und lässt im Jahr 1514 in der  Abteikirche von Saint Germain-des-Prés eine Isis-Statue zerstören, die von den Frauen ganz besonders verehrt wurde.

Steckt die alte Göttin ISIS dahinter – eine Urgöttin mit tausend Namen?

Zweifelsohne verbergen sich hinter einigen Romanischen Madonnen  außerchristliche Jungfrauen – wie die ägyptische Isis: Der Thron, die Krone, die Körperhaltung beweisen das. Fromme Kreuzfahrer haben diese Figuren von ihren Reisen mitgebracht, in der fälschlichen Annahme, es handele sich um die Jungfrau Maria.

(*Die romanische Architektur beginnt etwa um das Jahr 1000 n. Chr. und tritt in ganz Europa auf: Romanische Kirchen werden gebaut, Romanische Sitzmadonnen halten darin Einzug.)

(Eine der schönsten Romanischen Madonnen
steht in der Basilika von Orcival, Auvergne)

(Fotos zum Vergrößern bitte anklicken!

Die Blauschwarze Madonna von Thuret

ist eine echte Vièrge des Croisades, die von Kreuzfahrern im Orient entdeckt und mit nach Hause genommen wurde. Sie ist ca. 70 cm hoch und befindet sich seit dem 13. Jh. in der Kirche von Thuret, in der Auvergne – der eigentlichen Heimat dieser Sitzfiguren aus romanischer und vorromanischer Zeit. So beherbergt die Hauptstadt Clermont-Ferrand noch fünf weitere Schwarze Madonnen. Im Fall der Thuret-Madonna spricht man  ganz offen von einer alten Isis.
“Für mich ist die blauschwarze Haut eine Reminiszenz an die Nacht der Zeiten und das Mysterium des Lebens.” (aus “TALMI”, Psychothriller)

Ein ganz besonderer Marien-Pilgerort ist das Fels-Heiligtum Rocamadour

Der Autor Ean Begg berichtet, die Schwarze Madonna von Rocamadour sei dem Hl. Lukas zugeschrieben. Dieses Standbild soll bereits im 8. Jahrhundert “die Ungläubigen überall” in die Flucht geschlagen haben. Im Jahr 1212 hat die Jungfrau von Rocamadour angeblich den Heeren von Aragon, Kastilien und Navarra zum Sieg von Navas de Tolosa verholfen.
Auch Simon von Montfort, der Heerführer der Franzosen im grausamen Albigenserkreuzzug, hat diese Madonna aufgesucht und um Beistand gebeten (thematisiert in: “Sancha: Das Tor der Myrrhe”)
Das zweite Foto unten, am Ende des Artikels, zeigt die Rocamadour-Madonna im Gewand.

(Rocamadour ist eine französische Gemeinde mit 644 Einwohnern im Département Lot in der Region Okzitanien und ein Wallfahrtsort der römisch-katholischen Kirche; Foto durch Anklicken vergrößern!)

Wie die Großen Göttinnen miteinander verschmolzen –
oder wie aus Sophia MARIA wurde …

Der Kult um die Schwarzen Madonnen geht jedoch vermutlich auf eine noch wesentlich ältere Epoche zurück – eine Zeit, in der die Menschheit “Sophia, die Göttin der Weisheit und des Anfangs” verehrte: Sophia, so heißt es, soll bereits vor der Schöpfung existiert haben und zwar “in der Finsternis des Chaos, das schwarz ist”. So erklärt es ein christliches Traktat aus dem 3. Jahrhundert mit dem Titel “Vom Ursprung der Welt”.
Sophia galt somit den Urchristen als die Repräsentation des Heiligen Geistes, der “auf dem Wasser schwebte” und Licht in die Welt brachte, als es “finster auf der Tiefe” war (Genesis, 1,1).

Das Fresko links unten zeigt “Die Heilige Geistin” von Urschalling (Chiemsee), es wurde im Jahr 1923 entdeckt. Die Zeitschrift “efi” schrieb 2007 darüber: “Es ist eine Einladung zur Meditation über das weibliche Göttliche, Assoziationen zur göttlichen Weisheit – Sophia – liegen nahe.”

Eine weitere “Heilige Geistin” (Foto rechts unten) habe ich im Jahr 2013 in Belpuig (Pyrenäen) entdeckt: Sie ist im Bunde die Dritte und stellt ebenfalls Sophia, die Heilige Geistin oder die Weisheit dar.

(Urschalling, Chiemsee)

(Belpuig, Pyrenäen)

 

Die Schwarze “weise” Sophia,

deren Symbol die Taube der Aphrodite war (später auch Symbol des Heiligen Geistes), soll an der Schöpfung beteiligt gewesen sein?
Dieses Denken – das allerdings sehr komplex ist! – fand bereitwillig Aufnahme im Gnostizismus/Dualismus. Der Kult der Sophia hat sich aber auch, wie die oben gezeigten Beispiele beweisen, in der christlichen Volksfrömmigkeit und Kunst niedergeschlagen. Vor allem von den östlichen Christen wurde Sophia hingebungsvoll verehrt. Ihr größtes Heiligtum wurde im 6. Jh. n. Chr. in Konstantinopel errichtet und galt als eines der Weltwunder: die Hagia Sophia, die Kirche der Heiligen Sophia. Die “Dame Weisheit” galt als Göttin der gnostischen Philosophen, die sagten “die Weltseele würde aus ihrem Lächeln geboren.”

Gnostizismus/Dualismus: Die Katharer waren Anhänger des sog. Dualismus, dessen Wurzeln tausend Jahre vor Christus zurückreichen. Der Dualismus ist – vereinfacht ausgedrückt – die Zweiteilung: Gut und Böse, Hell und Dunkel, Oben und Unten – oder, um beim Glauben zu bleiben: Gott und Welt. (H.L.Köppel)

Eine der seltenen “Vièrges ouvrantes”

Eine echte Rarität ist die Schwarze Madonna von Palau-del-Vidre (Roussillon), der ich mehrere Jahre “hinterherjagte”, um sie vor die Linse zu bekommen. Es handelt sich um eine sog. Vièrge ouvrante, also eine “Jungfrau zum Öffnen”. Sie ist die sprichwörtliche Sophia, der weibliche Aspekt Gottes.

“Die Vièrge-ouvrante-Figuren entstanden zwischem dem 13. und 15. Jahrhundert. Im geschlossenen Zustand stellen sie die jungfräuliche Gottesmutter mit dem Kind auf dem Arm dar, geöffnet enthüllen sie Gott-Vater, Sohn und Heiligen Geist im Leib der Jungfrau. Die Vorstellung, dass die männliche Dreifaltigkeit in der Jungfrau enthalten ist, weist in vorchristliche Jahrhunderte zurück, die ebenfalls die jungfräuliche Gottesmutter als Urheberin männlicher Gottheiten kennt.
(Ch. Mulack, “Maria, die Geheime Göttin”, S. 64)

Die Palau-Madonna inspirierte mich, ein bestimmtes Gedicht in meinen Roman “Die Affäre C.” einzubauen: 
“Ich bin das Haupt des Alls, die ich vor einem jeden da bin”
(aus “Die Dreigestaltige Protenoia, Nag-Hammadi-Kodex)

Rom ordnet die Zerstörung dieser Madonnen an

Madonnen dieses Typs, die auch die Trinität einbeziehen, sind sehr selten. Weltweit gibt es nur noch dreizehn Exemplare. Das hat seinen Grund: Die römisch-katholische “Mutterkirche” – trotz ihres Namens von Männern dominiert – hatte diese Art von Darstellung auf ihrem Konzil von Trient (1545-1563) verboten und sogar die Zerstörung der angeblich häretischen Figuren angeordnet. Die Priester von Palau-del-Vidre wussten “ihre” Madonna jedoch gut zu verstecken. Im Jahr 1648 wurde sie wiederentdeckt, in einer Nische über dem Retable des Heiligen Sebastian. (aus: H.L.Köppel, Ausstellungskatalog d. Jüd. Museums, Hohenems)

AKTUELL 2017:

Gefreut habe ich mich über die Bitte des Jüdischen Museums Hohenems/Österreich, am Ausstellungskatalog für das Jahr 2017 “Die weibliche Seite Gottes” mitzuwirken!
Das Museum war über meine Website auf mich aufmerksam geworden, interessierte sich vor allem für die Palau-del-Vidre – Madonna als temporäres Ausstellungsstück. Man bat mich um Vermittlung und, nachdem ein Kontakt mit Palau-del-Vidre zustande kam, um einen Beitrag für den Ausstellungskatalog.
Die wertvolle, weil sehr seltene Figurine war dann vom 30. April an bis 8. Oktober 2017 in Hohenems zu sehen.
(Mein Beitrag und meine Beschreibung der o.g. “Vièrge Ouvrante”, genannt La trinité),  ist auf den Katalogseiten 150 und 151 zu finden; s.a. die nachstehenden Fotos.)

(Zum Vergrößern bitte anklicken!)

Eine der ältesten Schwarzen Madonnen in Frankreich
wird in Dijon verehrt

Sie stammt aus dem 11. Jh., stand damals in der Chapelle du Marché (Marktkapelle), und hieß “Notre-Dame de l’Apport”. Später erhielt sie den Namen “Notre-Dame de Bon-Espoir”. Ursprünglich war das Gesicht der Madonna nicht schwarz, sondern braun. Es wurde jedoch im Laufe der Jahrhunderte immer dunkler, worauf man es im Jahr 1963 wieder aufhellte.
(Literatur dazu: s. “Talmi” von H. L. Köppel)

Eine noch gebärende Jungfrau
Unter dem zeltartigen Gewand der Dijon-Madonna (s. links) verbirgt sich wie man auf dieser Schwarz-Weiß-Aufnahme sieht, eine sog. Virgo paritura, also eine noch gebärende Jungfrau. Der Heilige Bernhard, gewissermaßen ein Sohn der Stadt Dijon, denn er wuchs in der Nähe auf, sah in dieser Figur – die auch in Gestalt einer weisen Eule verehrt worden war – die Mutter Gottes.

Die Hände der Schwarzen Madonnen

 

Romanische Madonnen haben oft übergroße und mitunter weißbemalte Schutzhände, s. Eingangsfoto, Le Puy. Diese Hände werden Hände des Lichts genannt.

Die Romanische Madonna von Belpuig (Pyrenäen) hingegen (links im Bild) tanzt aus der Reihe: Ihre merkwürdige Fingerhaltung – ein aufmerksamer Leser hat mich verständigt –  entspricht wohl dem Hongsasya-Mudra der Buddhisten – was nicht so abwegig ist, wie es sich anhört:

 

Der Ursprung des Glaubens der christlichen Katharer (11.-13. Jh.) geht nämlich auf den persischen Propheten Mani zurück, der im 3. Jh. n. Chr. das Denken von Zoroaster, Buddha und Jesus zusammengefasst hat.

 

Im Jahr 2015 entdeckte ich eine weitere Madonna mit einer ähnlichen Finger- oder Handhaltung (Daumen berührt Zeigefinger) und zwar in Ainsa, einer sympathischen nordspanischen Kleinstadt in der Provinz Huesca/Aragón, umgeben von herrlichen Felsformationen: Der alte Ortskern mit seinem Hauptplatz (Plaza Mayor) wurde als Kulturgut eingestuft. Die Romanische Madonna steht in der 1183 geweihten ehemaligen Kollegiatskirche Santa Maria.

Foto links – die Mudra-Geste (wie bei einer tantrischen Tänzerin)

Die Freundinnen der Frauen

Es gäbe noch viel zu erzählen, über die Schwarzen Madonnen, die Freundinnen der Frauen, in deren Nähe meist eine wundertätige Quelle sprudelt, und bei deren Auffinden der Legende nach sowohl Tiere (Stiere, Kühe) als auch Bauern und Hirten ihre Hand im Spiel hatten. Im 16. Jh gab es in Frankreich fast 200 dieser Statuen, und bis heute wurden weltweit über 450 Figurinen entdeckt. Die Volksfrömmigkeit bezeichnet übrigens alle Romanischen Sitzfiguren als “Schwarze Madonnen”, gleich ob sie schwarz sind oder nicht. Nicht selten wurden sie bei einer späteren Restaurierung absichtlich “geweißt”.

„Schwarz bin ich und schön, ihr Töchter Jerusalems, schwarz wie die Zelte Kedars, schön wie die Zeltdecken Salomons.”

Zum Abschluss ein kleiner Reigen meiner interessantesten Madonnen-Entdeckungen der letzten Jahre, für die – teilweise  blau unterlegt, d.h. anklickbar – weitere Informationen zur Verfügung stehen.

Sachbücher zum Thema:
Christa Mulack, “Maria – Die Geheime Göttin im Christentum, Stuttgart 1985
Erich Neumann, “Die Große Mutter”, Freiburg i. Br., 1989
Franz Siepe, “Fragen der Marienverehrung”, Gräfelfing 2002
Ean Begg, “Das Rätsel der Schwarzen Madonna”, Bad Münstereifel 1989

Die Freundinnen der Frauen – Vic, Katalonien (Diözesanmuseum)

Und weiter geht es mit den “Schönen Damen von Astorga” – ganz besondere Madonnen aus Spanien – bitte klicken Sie hier!

Vielen Dank für Ihr Interesse!

Helene L. Köppel