Der Grüne Mann und der Götze Loll

Grüne Kleidung zu tragen war guter heidnischer Frühlingsbrauch in ganz Europa. Feen trugen in ihrem Reich sogar ganzjährig Grün – und ihre Liebhaber ebenfalls.

In einem schottischen Märchen begegnen wir einer solchen Fee und ihrem Liebhaber, den man Thomas, den Reimer nannte:

Da hörte er in der Ferne einen Laut, der klang wie das Geräusch eines Bergbaches. Dann aber sprang er plötzlich erstaunt auf, denn über einen der grünen Pfade sah er die schönste Dame der Weit reiten. Sie trug ein Kleid aus grasgrüner Seide und einen Umhang aus grasgrünem Samt, und ihr blondes Haar fiel ihr offen über die Schultern …”

Im Christentum war die Farbe GRÜN aus diesem Grund lange verpönt!

Die einst grünen Kerzen wurden abgeschafft, die Grünen Männer aus den Kirchen verbannt – aber nicht überall. Mir springen die Zurückgebliebenen seit Jahren geradezu in die Augen – aber vielleicht auch nur, weil sie von mir gesehen werden wollen! 🙂

(Paris, Notre-Dame)

(Paris Notre-Dame)

Halten auch Sie nach ihnen Ausschau!

Sie befinden sich innerhalb und außerhalb sakraler aber auch profaner Gebäude. Ihre Kennzeichen: Die Haupt- und Barthaare der Grünen Männer werden meist als Blätter, Ranken oder Gräser dargestellt, oft wachsen diese auch aus den Mündern der Köpfe.

Übrigens, in der Kunst bezeichnet man den Grünen Mann als BLATTMASKE –
ein menschliches Gesicht, das aus Blättern geformt ist. Als architektonische Zierform ist die Blattmaske in der römischen Kunst verbreitet, aber auch in der spätromanischen und gotischen Bauplastik und Buchmalerei.

(Kloster Ebrach, Unterfranken)

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(Kathedrale Bayeux, Normandie)

(Kloster Ebrach, Unterfranken)

(oben und rechts: Ritterkapelle Haßfurt, Unterfranken)

Weshalb sich heutige Dombaumeister, Architekten oder Restauratoren oft für eine andere Farbe als GRÜN entscheiden, entzieht sich meiner Kenntnis – denn der wahre Grüne Mann hat nichts Herbstliches an sich!

Er befindet sich im Einklang mit den Naturgesetzen –

ist jedoch scheu. Er versteckt sich hinter seinen Blättern und Ranken, wird oft mit ihnen eins. Man kann ihn mit Silvanus gleichsetzen, dem römischen Waldgott – oder mit dem Fruchtbarkeitsgott Lug, den man in alter Zeit in meiner Heimatstadt Schweinfurt als Lollus verehrt hat.

Loll – der Grüne Mann von Schweinfurt

Man weiß heute, dass germanische Fruchtbarkeits- und Vegetationsgottheiten stets als Paar verehrt wurden. Im Götzen Loll sahen die Schweinfurter den männlichen Partner der Göttin Frigg (oder Freja): Sein ehernes Bildnis stand in einem heiligen Hain (dem sog. Löhlein). Loll wird als halbnackter, lockiger junger Mann beschrieben, jeweils einen Kranz von Mohnsamen um sein Haupt und seine Brust geschlungen. Mit Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand umfasste er seine Zunge, in der linken Hand hielt er einen Becher, aus dem Kornähren sprossen.
Als der Heilige Kilian ins Frankenland kam, machte er dem Loll den Garaus. Er versenkte ihn kurzerhand im Main. Die Schweinfurter jedoch vergaßen ihren Götzen nicht so schnell. Nach Kilians Tod ließen sie ein neues Bildnis gießen und stellten es wieder auf.
Wie man sich denken kann, nicht für lange!

(Kloster Ebrach, Oberfranken)

(Dom zu Bamberg, Oberfranken)

(Kloster Ebrach, Oberfranken)

Mit einem besonders schönen Exemplar eines Grünen Mannes zum Schluss meines Artikels, bedanke ich mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeit!

(Kloster Ebrach, Oberfranken)

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