Palau-del-Vidre – eine Madonna geht auf Reisen!

Palau-del-Vidre ist eine kleine französische Gemeinde in der Region Okzitanien, ungefähr 15 Kilometer über die D 914 von Collioure entfernt. Der Ort liegt im Tal des Flusses Tech.
Bekannt ist Palau-del-Vidre für seine Glasbläser, die hier (traditionell seit dem Mittelalter) ihre Kunst zeigen. Alljährlich im August findet in Palau-del-Vidre das internationale Festival “Les Arts du Verre” statt, zu dem Glasbläser aus ganz Europa anreisen.
Zu einiger Berühmtheit hat es auch die Kirche Saint Marie de L’Assomption (12. Jahrhundert) gebracht. Nicht zuletzt wegen einer außergewöhnlichen Madonnenstatue – die (unter meiner Mitwirkung) im Jahr 2017 auf Reisen ging, um in Österreich ausgestellt zu werden.

Aber dazu später mehr …

Palau-del-Vidre hatte ich schon vor zwanzig Jahren kennengelernt, doch bis ich die Kirche Sainte Marie de l’ Assomption betreten und die von mir seit langem gesuchte Madonna zu Gesicht bekam, war Geduld angesagt.
Viel Geduld …

Im Mai 2009 dann – nach einer sieben Jahre langen, aufwändigen Restaurierung der Kirche, des Vorplatzes und des halben Ortes, für die eine kleine Gruppe passionierter Bürger gesorgt hatte – hoffte ich erneut auf mein Glück, doch vergebens. Immerhin entdeckte ich ein neues Schild mit neuen Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag 17 – 18 Uhr, Freitag 11 – 12 Uhr.
Ein Blick auf meine Uhr: Es war zwar Freitag, aber bereits 12.30 Uhr!
Am Montag stand ich um 17 Uhr erneut auf der Matte – mit demselben Ergebnis: Kirche zu und weit und breit niemand in Sicht!
Ich wartete. Schließlich ticken die Uhren in Frankreich mitunter etwas anders … Ich wartete … Nach einiger Zeit wurde ein Mann auf mich aufmerksam, den ich bereits vom Sehen kannte (er restauriert in seiner Garage alte Stühle!). Nun warf auch er einen irritierten Blick auf das Schild und die geschlossene Tür, dann schickte er mich kurzerhand in die Mairie, also ins Rathaus.
Netter Empfang im Bürgermeisteramt. Eifriges Nicken einer jungen Sekretärin: “Pas de problème, Madame, selbstverständlich können Sie die Kirche besichtigen!”
Vorfreudig nahm ich im Vorzimmer Platz. Wartete. Es folgten zwei, drei Telefonate in meiner Angelegenheit, und irgendwann wurde eine weitere Sekretärin herbeigerufen, die sich “tout de suite” der Sache annahm und ebenfalls zum Telefon griff.
Nun ja, ich kürze an dieser Stelle ab:
Malheureusement, Madame, la clé a disparu!” Was sollte man auch tun, wenn der Kirchenschlüssel verschwunden war! 🙂
“Ce n’est pas grave!”, sagte ich lächelnd. “Höhere Gewalt!”.
Schließlich vereinbarten wir einen festen Termin für Mittwoch.
Ich freute mich, ungelogen!

Am Mittwoch stiefelte ich direkt ins Rathaus, wo mir die kleine Tochter des Bürgermeisters mit einigen lustigen “Turnübungen” die obligatorische französische Wartezeit vertrieb. 🙂
Endlich war es soweit: Mit strahlendem Lächeln präsentierten mir die beiden Sekretärinnen des Bürgermeisters den wiederaufgefundenen Schlüssel.“Unsere Kirche beherbergt viele Schätze”, erzählten sie mir unterwegs, “zwei gotische Altarbilder aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, ein Altarbild aus der Renaissance, einen berühmten Tabernakel, seltene Gegenstände – darunter eine geheimnisvolle, sich öffnende Jungfrau.”
Ich war gespannt wie selten zuvor, denn der Autor Ean Begg, von dem ich den Tipp hatte, beschrieb die Figur folgendermaßen:
Eine Schwarze Madonna in der Pfarrkirche, in einer Mauernische in etwa 4 Meter Höhe. Einzigartige “Vièrge Ouvrante”, Madonna, die sich öffnet, um eine bärtige Figur in ihrem Inneren zu enthüllen. Das Kind sitzt auf ihrer linken Schulter.”

Zuerst ein Blick auf das weitere interessante Interieur in dieser Kirche …

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Dann endlich das Ziel meiner “Begierde” 🙂 – Die Madonna von Palau-del-Vidre

„Nicht das Beginnen wird belohnt, sondern einzig und allein das Durchhalten.“ (Katharina von Siena):
Wie vom Autor beschrieben, stand die Madonna (nach der langjährigen Restaurierung der Kirche) wieder in ihrer angestammten Mauernische, gute vier Meter hoch über dem Altar.


“Die Vièrge-ouvrante-Figuren entstanden zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert. Im geschlossenen Zustand stellen sie die jungfräuliche Gottesmutter mit dem Kind auf dem Arm dar, geöffnet enthüllen sie Gott-Vater, Sohn und Heiligen Geist im Leib der Jungfrau. Die Vorstellung, dass die männliche Dreifaltigkeit in der Jungfrau enthalten ist, weist in vorchristliche Jahrhunderte zurück, die ebenfalls die jungfräuliche Gottesmutter als Urheberin männlicher Gottheiten kennt.“
(Chr. Mulack, “Maria, die Geheime Göttin”, S. 64)


Ihre Zerstörung wurde geschickt vereitelt …

Madonnen dieses Typs, die auch die Trinität einbeziehen, sind sehr selten. Weltweit gibt es nur noch dreizehn Exemplare. Das hat seinen Grund: Die römisch-katholische “Mutterkirche” – trotz ihres Namens von Männern dominiert – hatte diese Art von Darstellung auf ihrem Konzil von Trient (1545-1563) verboten und sogar die Zerstörung der angeblich häretischen Figuren angeordnet. Die Priester von Palau-del-Vidre wussten “ihre” Madonna jedoch gut zu verstecken. Im Jahr 1648 wurde sie wiederentdeckt, in einer Nische über dem Retable des Heiligen Sebastian. 
(aus: H.L.Köppel, Ausstellungskatalog d. Jüd. Museums, Hohenems)

Acht Jahre später verlässt die “Geheime Göttin” Südfrankreich und geht auf Reisen …

Die Vorgeschichte zu dieser Reise:

Im Oktober 2016 erreichte mich das Schreiben einer Kuratorin aus Wien, die auf einen anderen Artikel auf meiner Website aufmerksam geworden war, der sich mit den nicht weniger rätselhaften “Schwarzen Madonnen” beschäftigt:

Sehr geehrte Frau Köppel,
ich arbeite gerade an einer Ausstellung über die weibliche Seite Gottes. Unsere Ausstellung wird zwar in erster Linie dem Judentum gewidmet sein, möchte jedoch auch das Christentum und den Islam einschließen.
Ich bin bei der Recherche auf Beiträge von Ihnen gestoßen …

Ich schrieb zurück und machte die Dame auf die Vièrge Ouvrante (und das freundliche Bürgermeisteramt) in Palau-del-Vidre aufmerksam.
Im Januar 2017 kam die Erfolgsmeldung aus Wien:

Dank Ihres netten Emails sind wir jetzt tatsächlich in Kontakt mit der Gemeinde von Palau-del Vidre und haben bereits informelle Zusagen, dass wir die wunderbare Jungfrau für unsere Ausstellung ausborgen können …”

Über die bevorstehende Reise der Madonna habe ich mich natürlich sehr gefreut – aber auch über die Bitte, die man nun an mich herantrug, eine Objektbeschreibung für den Ausstellungskatalog beizusteuern. Nachstehend das Ergebnis:

Bitte anklicken zum Lesen!

Und hier – voilà – die weitgereiste Madonna aus Palau-del-Vidre, hinter Glas stehend, in der Ausstellung im Jüdischen Museum Hohenems (30. April bis 8. Oktober 2017)

An dieser Stelle nochmals vielen herzlichen Dank an Sabrina und Catherine, die netten Sekretärinnen des Bürgermeisters!

Vielen Dank für Ihr Interesse!

Magische Orte in der Umgebung:

Collioure, Santa Maria del Vilar, Kloster Fontfroide, Saint-André de Sorède, Boule d’ Amont, Cabestany, Canal-du-Midi, Elne, Ille-sur-Têt, Marcevol, Saint-Michel-de-Cuxa, Taurinya,

Die Abtei Saint-André-de Soréde – und die Tiere aus der Hölle

Die Abtei Saint-André-de Soréde

Saint–André ist eine kleine französische Gemeinde im Département Pyrénées-Orientales in der Region Okzitanien. Sie gehört zum Arrondissement Céret und zum Kanton La Côte Vermeille, liegt etwa 16 Kilometer von Perpignan und 11 Kilometer von Collioure entfernt.
Bereits gegen Ende des 8. Jh. gründete hier der spanische Abt Miron ein Kloster, das er dem Heiligen Andreas widmete. Schon im Jahr 823 erhielt Miron eine schriftliche Bestätigung von Ludwig dem Frommen (778-840), einem Sohn Karls des Großen, die das Recht beinhaltete, seine Äbte frei zu wählen. Im Jahr 1789, während der französischen Revolution mussten die letzten Mönche das Kloster verlassen. Alle Besitztümer, auch der Kreuzgang, wurden abgebrochen, verkauft und teilweise in anderen Abteien der Umgebung weiterverwendet. Der Kreuzgang von Saint-André hatte nicht das Glück einer späteren Rekonstruktion, wie etwa die Abteien von Saint-Génis-des-Fontaines und Saint-Michel-de-Cuxa.

Von der ehemaligen Abtei ist heute nur die gleichnamige Abteikirche erhalten. Sie hat ihre Wurzeln im Jahr 820 n. Chr., wurde jedoch bereits hundert Jahre später durch einen Neubau aus großen Flusskieseln in der “Fischgrat-Technik” ersetzt. (In der römischen Technik des Opus spicatum)
Bei einer erneuten Erweiterung im 11. Jahrhundert blieben lediglich der untere Teil der Mauern und die Absiden erhalten.


Ein schönes Beispiel, wie die Baumeister im 11. Jahrhundert einen alten Türrahmen in ein schönes Fenster verwandelten, kann man am Foto unten links sehen!

Die kleinen Fotos können durch Anklicken vergrößert werden!

Romanik pur in Saint-André

Mauerwerk und Dekoration in der Kirche Saint-André sind charakteristisch für die Frühromanik des 11. Jahrhunderts, wobei der marmorne Türsturzbalken über der Eingangstür große Ähnlichkeit mit dem prachtvollen Türstock der benachbarten Kirche Saint-Genis-des Fontaines aufweist. Dieser konnte durch seine Inschrift datiert werden: Er stammt aus dem Jahr 1019/1020 – und war damit wohl das Vorbild für den Türsturzbalken der Kirche in Saint-André. Beide Balken zeigen mittig einen thronenden Christus – mit segnender Hand und dem Buch des Lebens – in einer Mandorla. Es gibt jedoch etliche Abweichungen in der Ausführung der beiden Kunstwerke: Der Türsturz in Saint-Genis erscheint strenger, naiver in der Darstellung – aber zugleich fast “hoheitsvoll”. Der Türsturz in Saint-André (hier fehlt die Inschrift!) kommt plastischer herüber, irgendwie natürlicher, menschlicher. Die Anzahl der dargestellten Apostel und Seraphime unterscheidet sich ebenfalls, wie auch der florale Schmuck, Palmetten genannt.
Wer immer diese Steinmetze waren, wie immer es sich verhielt:
Die herrlichen Skulpturen und Kunstwerke von Saint-André – die man heute im MUSEE D`ART ROMAN besichtigen kann (direkt neben der Kirche) – versetzen jeden Interessierten jählings ins 12. Jahrhundert – dem Höhepunkt der romanischen Kunst.
Ich selbst erinnerte mich bei meinem Besuch im Jahr 2008 spontan an die Bildwerke in der Prieuré de Serrabone oder an die Arbeiten aus der Werkstatt des Meisters von Cabestany.

Romanischer Altartisch in Saint André – und alte Fresken

Der Altartisch aus Marmor ist rundum mit aneinander gereihten, halbkreisförmigen und schräg geschliffenen Reliefen geschmückt. Die Dekoration stammt vermutlich aus Spanien; sie könnte von Byzanz her liturgische Bedeutung gehabt haben. Vom 9. – 11. Jh. wurden derartige Altartische in Narbonner Werkstätten fast serienmäßig hergestellt. Eine karolingische Elfenbeinarbeit (Eigentum der Kathedrale von Narbonne), soll als Vorlage gedient haben.

Islamische Kunst in Saint André

Die historischen Provinzen Roussillon und Katalonien waren im 10. und 11. Jahrhundert in Kontakt mit den islamischen Gebieten Spaniens. Junge Katalanen standen damals nicht selten als Söldner im Dienst arabischer Prinzen, bevor diese als Unterworfene (während der Reconquista*) selbst Tribut zahlen mussten. Das war die Zeit, in der mitunter kostbare Stücke christlichen Kirchen zum Kauf angeboten wurden, die sie dann oft im sakralen Bereich einsetzten.
Beispiele hierfür: Der Hostienbehälter aus Elfenbein von Narbonne, das silbernes Tintenfass von Brouilla (in der Nähe von Saint–André) oder der Mantelstoff der Madonna von Thuit.
Absolut rätselhaft ist jedoch noch heute die Islamische Stele aus dem 13. Jahrhundert, die während einer Restauration im Mauerwerk von Saint-André entdeckt wurde. (Maria wird auch im Koran als jungfräuliche Mutter Jesu erwähnt).

*Die Reconquista dauerte vom Jahr 722 (Schlacht von Covadonga) bis zum Jahr 1492 (Eroberung Granadas) und bezeichnet die Zeit der Rückeroberung der von Mauren besetzten Gebiete auf der iberischen Halbinsel durch die Christen.

Die Simioten – “Tiere aus der Hölle”

Bei den im Außenbereich der Kirche von Saint André angebrachten Tiere (vergleichbar mit Exemplaren aus der Abtei von Arles-sur-Tech), handelt es sich um sog. Simioten – in der katalanischen und pyrenäischen Mythologie als “teuflische Kreaturen” bekannt, die Affen ähneln. Andere Quellen sprechen von “fressenden Löwen”.

Zum Vergleich die beiden Simiots, die ich 2015 in Arles-sur-Tech fotografiert habe:

Vielen Dank für Ihr Interesse!

Magische Orte in der Umgebung von Saint André

Collioure, Elne, Santa Maria del Vilar, Saint-Genis-des-Fontaines, Abtei Fontfroide, Elne, Cabestany, Palau-del-Vidre

Das einstige Jupiter-Heiligtum von Sant Ferriol

Sant Ferriol ist ein kleines Dorf in der Provinz Girona und der Autonomiegemeinschaft von Katalonien, Spanien.
Ich hatte gelesen, dass es hier, auf einem der umliegenden Berge (sieben Kilometer bergauf in engen Serpentinen!), nicht nur eine verwunschene alte Einsiedelei, sondern auch einen alten römischen Kultplatz geben soll.
(Das Santuario de Sant Ferriol wurde später zu einem der Schauplätze in meinem Roman Salamandra.)

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Der Heilige Ferriol

In der kleinen Wallfahrtskirche wird der Heilige Ferriol verehrt, der mit seinem Schwert und seiner Bekleidung einen römisch-martialischen Eindruck macht – und die Spenden seiner Besucher auch gleich selbst einsammelt.
Bei diesem Heiligen handelt es sich um Ferreolus von Uzès (520 – 581 n. Chr.). Ferreolus war von 553 bis 581 Bischof von Uzèz*. Als Bischof gründete er das Kloster Ferréolac und unternahm den Versuch, die Juden seiner Diözese zum Christentum zu bekehren. Das gute Verhältnis, das er zu den Juden Septimaniens** pflegte, führte jedoch zu seiner zwischenzeitlichen Absetzung durch Childebert I.*** Nach seiner Rückkehr ins Bischofsamt setzte Ferriol seine Bemühungen um die Christianisierung der Juden fort. Widerspenstige verwies er jedoch der Stadt.
Die Eltern des Heiligen stammten übrigens aus dem Umkreis der Merowinger, seine Mutter soll eine Tochter des Frankenkönigs Chlotar I. gewesen sein. Seine Schwester Tarsitia wird ebenfalls als Heilige verehrt.

*Uzès liegt ungefähr 40 km von Avignon entfernt (wo die Römerspuren noch allgegenwärtig sind).
** Septimanien war das einzige Gebiet in Gallien, das der fränkischen Eroberung nach der Schlacht bei Vouillé (507) standhielt.
*** Childebert I. war der viertälteste Sohn des merowingischen Frankenkönigs Chlodwig I., der dritte aus dessen Ehe mit Chrodechild. Bei der Reichsteilung von 511 erhielt er das Teilreich mit dem Königssitz Paris und regierte bis zu seinem Tod. (Quelle Wiki)

Die Suche nach dem ehemaligen Kultplatz der Römer

war leichter als befürchtet, denn der Platz, an dem einst ein Tempel des obersten römischen Gottes Jupiter stand, befand sich an der höchsten Stelle des Berges. Jupiter (deutsch seltener Jovis) ist der Name der obersten Gottheit der römischen Religion, der mit seinen Blitzen entweder strafte oder aber (der Feuerwagen des Phaeton) die Welt vor Unheil bewahrte.
Jupiter entspricht dem griechischen „Himmelsvater“ Zeus.

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Die versteckte Einsiedelei Sant Ferriol wurde bei meinem Besuch im Jahr 2014 von einer netten jungen Familie bewohnt und bewacht, nebst einigen schwarzen Eseln. Im Sommer ein Paradies, im Winter – oder bei schlechtem Wetter – schwer erreichbar, aufgrund der extrem steilen und unbefestigten Straße.


Abschließend noch eine Aufnahme von der herrlichen Umgebung, in der sich das hochgelegene Heiligtum befindet …

Vielen Dank für Ihr Interesse!

Hymnus an die Sonne von Arles

“Hymnus an die Sonne”

… ist ein Gedicht von Frédéric Mistral (1830 – 1914), worin er die “Goldene Sonne der Provence” rühmt. Der französische Dichter und Linguist schrieb seine Werke auf Provenzalisch und erhielt dafür im Jahr 1904 den Nobelpreis für Literatur. Das damit verbundene Preisgeld verwendete Mistral für den Ausbau der von ihm im Jahr 1896 gegründeten ethnographischen Sammlung im Museum Ariaten in Arles.
Mit dem letzten Vers dieses schönen Gedichtes möchte ich nun Sie einstimmen, mit mir einen Gang durch das im Sommer meist sonnendurchflutete Arles zu unternehmen:

Lass dein goldnes Feuer glühen,
Dass die Sorg’, die Schatten fliehen.
Glüh in deines Glanzes Wonne,
Lächle uns, o schöne Sonne!

Frédéric Mistral, aus “Hymnus an die Sonne”

Arles in der Antike

Nachdem mich bei meinem Aufenthalt im Jahr 2009 das südfranzösische Arles (Département Bouches-du-Rhône, ca. 50 000 Einwohner) zu meinem zweiten Thriller Blut.Rote.Rosen inspiriert hat, kommt man bei dieser alten Stadt, deren Wurzeln bis ins 10. Jh. v. Chr. zurückreichen, um ein Stück Geschichte nicht herum. Offiziell gegründet wurde Arles von den Griechen (den Phokäern aus Kleinasien) – ursprünglich ging diese Stadt aber aus der keltoligurischen* Handelssiedlung Ar Laith hervor.
Der antike Name von Arles lautete Arelate – (die Stadt in den Sümpfen).
Im Jahr 123 v. Chr. kam Arles unter römische Herrschaft (Provinz Gallia Narbonensis). Kein Geringerer als Gaius Julilus Caesar machte sie im Jahr 46 v. Chr. zur römischen Militärkolonie Colonia Julia Paterna Arelate Sextanorum. Mehr oder weniger gut erhalten aus dieser Zeit sind das Amphitheater (Arena) und die Reste der ehemaligen Thermen – beide ein Anziehungspunkt für Touristen. Vom römischen Forum, das sich im Stadtzentrum befand, existieren nur noch Spuren an einer Hauswand. Der ägyptische Obelisk aus dem Circus (der ehemaligen Rennbahn) schmückt heute, stolz und schlank, den Platz vor dem Rathaus, bzw. vor der Kathedrale Saint-Trôphime.

Arles war in der Antike aufgrund seiner Lage (am Ostufer der Rhône) eine wohlhabende Stadt: Die wichtigsten Handelsstraßen waren erreichbar: Hier kreuzte sich die Via Agrippa nach Lugdunum (Lyon) und weiter nach Augusta Treverorum (heute Trier) bis zur Colonia Claudia Ara Agrippinensium (heute Köln) mit der Via Aurelia, die Massilia (Marseille) mit Rom verband.

* vorrömische Bevölkerung im Rhônegebiet

Die Arena (Amphitheater) – das Highlight von Arles

“Das kleine Rom von Gallien” – so nannte man früher die Stadt Arles. Das Amphitheater aus dem 1. Jh. n. Chr. (aus der Epoche des Augustus*) gilt als beachtliches Beispiel römischer Ingenieurskunst. Es fasste über 20 000 Zuschauer und ist älter und größer als die Arena von Nîmes. Die Sitzplätze sind um das riesige Oval angeordnet. Es existieren dreißig Sitzreihen bis zu den Oberseiten der Eingangsbögen. Im Mittelalter hatte man diese Bögen mit Steinen blockiert und die Arena als befestigte Stadt benutzt. Dabei wurden die (damals kleinen) Häuser eng an eng in das zentrale Oval gepfercht. Erst zu Beginn den 19. Jh. erfolgte die Entfernung des Häusergewirrs im Inneren der Arena. Fortan benutzte man das Amphitheater für Stierkämpfe, kulturelle und folkloristische Veranstaltungen.
Hier, in der Arena, entdeckte man die berühmte Venus d’Arles, die sich heute im Louvre befindet, sowie andere Skulpturen.

* Augustus (Oktavian), 1. römischer Kaiser von 31 v. Chr. bis 14 n. Chr.; Alleinherrscher des Römischen Reiches.

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Der römische Obelisk und das Forum

Im ehemaligen Circus der römischen Stadt (Rennbahn) entdeckte man einen 15 m hohen ägyptischen Granit-Obelisken, der nun seit dem Jahr 1676 an der Place de la République steht, direkt vor dem Rathaus (Foto links).
Das sogenannte Forum war in den Städten des römischen Reiches ein zentraler Platz, der das politische, juristische, ökonomische und religiöse Zentrum des Orts bildete. Es entsprach dabei weitgehend der griechischen Agora.
Die Reste des ehemaligen Forums von Arles befinden sich an der noch heute stark frequentierten Place du Forum (Foto Mitte), wo sich auch eine Statue des Dichters Frédéric Mistral befindet.

Die Thermen des Konstantin

In der Antike stand Arles, was die Bedeutung betraf, mit Marseille (Massilia) im Wettstreit. Ihre Blütezeit erreichte die Stadt unter dem römischen Kaiser Konstantin*, der sie ausbaute und ihr den Beinamen Constantina gab. Durch seine Besuche “adelte” der Kaiser gewissermaßen die Stadt, die daraufhin – nach der Gründung von Konstantinopel – die Rolle einer zweiten Hauptstadt spielte.
Im Jahr 395 n. Chr. wurde Arles die Hauptstadt des römischen Galliens und wenige Jahre später sogar, anstelle von Trier, Regierungssitz des römischen Westreichs.  

* Kaiser Konstantin der Große war von 306 – 337 römischer Kaiser; ab dem Jahr 334 Alleinherrscher

Unten an der Rhône befinden sich die Überreste des antiken Badehauses, das auf Veranlassung von Kaiser Konstantin erbaut wurde. Diese Bäder, die es in allen römischen Städten gab (s. auch Rennes-les-Bains), wurden zur Körperpflege, zum Trainieren und für soziale Kontakte benutzt. Sie waren sowohl für Männer als auch für Frauen und teilweise sogar für Kinder zugänglich. Die Technik war aufwendig, das Wasser kam aus den römischen Aquädukten und die Temperatur wurde durch Holzöfen geregelt. Verziert waren die Badehäuser mit farbigem Marmor und Fresken. Der Eintritt war frei oder zumindest sehr billig.

(nachstehendes Foto: Nordapsis der Thermen)

Arles und die antike Totenallee (Alyscamps)

Das bereits in der Antike angelegte Gräberfeld, genannt Alyscamps, das schon Dante, van Gogh und Gauguin faszinierte, liegt an der ehemaligen Römerstraße Via Aurelia, am südöstlichen Rand der Altstadt. Zwischen den mehr oder weniger gut erhaltenen Resten zweier alter Kirchen reihen sich auf beiden Seiten einer fünfhundert Meter langen Platanen-Allee antike Steinsarkophage aneinander. Der Name Alyscamps kommt von Campi elissi (elysische Gefilde).

Das gallorömische Theater

Das gallorömische* Theater von Arles befindet sich ebenfalls in der Altstadt. Es war eine Art Open-Air-Theater, das ungefähr 10 000 Menschen fasste. Die im Halbrund angelegten Sitzplätze umgaben eine große Bühne mit mehreren Steinsäulen/Bögen. Ging es in der Antike um griechische Tragödien und Komödien (ludi Graeci), die man ins Lateinische übersetzte und dem jeweiligen römischen Publikumsgeschmack anpasste (ludi Romani), werden heute dort vorzugsweise Sommerkonzerte veranstaltet.

* Gallische und römische Kultur verbanden sich ab Mitte des 1. Jahrhunderts nach Christus zur gallorömischen Kultur.


Arles und die Kryptoportique

Den sog. Kryptoportikus (Cryptoportique) von Arles erreicht man über das Rathaus. Dort erhält man die Eintrittskarten für die Führungen, wobei auch Einzelerkundigungen möglich sind. Hier unten, tief im Bauch der Stadt, bewegt man sich gewissermaßen noch immer auf “römischem Grund und Boden”. Das riesige Gewölbe mit seinen Säulen, Kammern und Bögen erstreckt sich über zwei Ebenen. Es wurde seinerzeit zur Stabilisierung des damaligen Forums errichtet. Hier unten befanden sich aber auch die Unterkünfte der Sklaven. Die Kammern sind feucht und dunkel. Ungemütlich. Gruselig. Also der ideale Schauplatz für einen Thriller! 🙂

Kurzer Romanauszug:

Als ich feststellte, dass der Fremdenführer bei jedem einzelnen Säulenfragment innehielt und lang und breit die Stile und Ornamente erklärte, stahl ich mich davon und machte mich tapfer auf den Weg zu den Pforten des Hades. Bald verstummten die Stimmen hinter mir. Einzig das stetige Platschen der Wassertropfen begleitete mich. Ich hätte schwören können, dass die Werkstattlampen – nannte man sie nicht auch Krötenlampen? – heute noch düsterer brannten als gestern. Einige flackerten sogar nervös. Ich hoffte, sie hielten durch. Ich musste das auch. Plitsch. Platsch … Peinlich genau hielt ich mich an die Mitte des breiten Ganges, wenn mich nicht gerade eine Pfütze oder ein größeres Rinnsal daran hinderte. Mehrmals drehte ich mich um. Einmal weil ich einen kleinen Hund kläffen hörte. Ein andermal – mein Herzschlag beschleunigte sich – weil ich den Eindruck hatte, es folgte mir wer. Als ich ungefähr Zweidrittel des Weges hinter mich gebracht hatte, entdeckte ich die ersten Kreidemarkierungen. Mein Herz hämmerte. Ich öffnete meine Umhängetasche und tastete nach der Pistole und der Taschenlampe. Dann blieb ich stehen. Lauschte auf das stete Tropfen des Wassers und mein Atemgeräusch. Ich knipste die Taschenlampe an, doch sie zitterte so sehr in meiner Hand, dass die Schatten an den Wänden den reinsten Totentanz aufführten …

“Blut.Rote.Rosen”, von Helene Köppel, S. 218 ff

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Arles im Christentum – die Kathedrale Saint-Trophime

Bereits im 3. Jahrhundert wurde Arles Bischofssitz. Hier fand das erste Bischofskonzil Galliens statt und hier wurde der hl. Trophimus (der Legende nach ein Schüler des Apostels Petrus) zum ersten Bischof der Stadt geweiht. Er christianisierte die Provence. (Die Gebeine des Heiligen ruhen heute in der Kirche.) Hundert Jahre später bekam Arles ein Erzbistum.
Obwohl von Normannen, Westgoten und Sarazenen mehrmals erobert und zerstört, behauptete sich Arles; und als die Stadt ab dem Jahr 536 zum Frankenreich zählte, erkor man sie (im Jahr 879) zur Hauptstadt des Königreichs Burgund. Im Jahr 1033 kam Arles schließlich zum Heiligen Römischen Reich.
Ende des 11. Jahrhunderts war Arles mit 15.000 bis 20.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt in der Provence. Als “Königreich Arelat” war die Stadt unabhängig und zog viele religiöse Orden an. Weitere Kirchen wurden gebaut.
Im Jahr 1178 krönte man in der Kathedrale Saint-Trophime Friedrich Barbarossa (Rotbart) zum König von Burgund.
Im 13. Jahrhundert unterwarf sich Arles König Karl von Anjou, bis die Stadt im Jahr 1481 schließlich an Frankreich fiel.

Der romanische Teil der von der Antike beeinflussten Kathedrale (und ehemaligen Benediktiner-Abteikirche) Saint-Trophime wurde zwischen 1100 und 1150 erbaut. Bei ihrem Bau verwendete man Steine aus dem antiken Theater. Mitte des 15. Jahrhundert entstanden der Gotische Chor und weitere Umbauten. In Saint-Trophime versammelten sich früher die Wallfahrer, um gemeinsam von Arles aus nach Santiago de Compostela zu pilgern. Das prächtige Eingangsportal (Tympanon: Christus als Weltenrichter) stellt neben der etwas früher entstandenen Fassade der Abtei Saint-Gilles eine der schönsten Skulpturen in der Provence dar. Der Kreuzgang soll ebenfalls zu einem der schönsten der Provence zählen, halb romanisch, halb gotisch.

Das Rathaus, die Straßen und Gassen von Arles

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Arles und die Maler van Gogh und Picasso

Nahezu unzertrennlich sind zwei Namen für immer verbunden: Arles und Vincent van Gogh. Hier, unter der besonderen Sonne von Arles, hat der niederländische Maler innerhalb von fünfzehn Monaten (und ungeachtet seiner psychischen Probleme!) mehr als dreihundert Bilder gemalt. Die Terrasse des Cafés La Nuit, wo er sich oft aufhielt, malte er im September 1888. Das Gemälde ist mit Ölfarben auf Leintuch gemalt. Das “Gelbe Haus an der Place Lamartine”, in dem er damals wohnte, wurde im Zweiten Weltkrieg leider zerstört, aber er hat es ebenfalls gemalt.
Eine ähnliche Leidenschaft für die Sonne von Arles entwickelte Pablo Picasso. Neben dem Malen frönte er hier auch seiner Leidenschaft für Stierkämpfe, die damals in der Arena stattfanden. Eine erste Ausstellung seiner Bilder fand bereits im Jahr 1957 im Réattu Museum in Arles statt. Zu diesem Anlass schenkte Picasso 57 seiner Zeichnungen der Stadt.

Dass beide Maler auch von den Frauen der Stadt angetan waren, den schönen Arlesierinnen, beweisen zwei Gemälde, die sich in der Umsetzung des Motivs jedoch stark voneinander unterscheiden.

Arles – die Dächer

In Arles sind viele Epochen zu Hause. Die Stadt hat es jedoch geschickt verstanden, ihr antikes Erbe mit der südfranzösischen Leichtigkeit in Einklang zu bringen. Nach der bunten Fülle von Eindrücken und Bildern bezaubert selbst noch der Blick auf das hügelige Hinterland, die Rhône und die schlichten roten Dächer …

Arles bei Nacht

Merci beaucoup!

Museen in Arles

Das Museum Arlaten, im Palais de Laval-Castellane (16. Jahrhundert) gilt als die bedeutendste Sammlung zur provenzalischen Volkskunde. Es wurde von dem provencalischen Dichter Fréderic Mistral gegründet.
Das Museum Réattu zeigt u.a. Werke des Malers Jacques Réattu – sowie Bilder von Picasso und anderen berühmten Malern.
Das Antikenmuseum von Arles (Musée départemental Arles) behandelt die Geschichte der Besiedlung von der Frühgeschichte bis zum Ende der Römerzeit.

Traditionelle Feste in Arles

1. Mai – “Fest der Gardians”, der Hirten der Camargue. Sie ziehen auf Pferden durch die Stadt; Wahl des neuen Hochmeisters der Brüderschaft der Gardians. Alle drei Jahre findet an diesem Tag die Wahl der neuen “Königin von Arles” statt. Der Tag endet mit einem Spektakel in der Arena, wo die Gardians ihre Reiterkünste zeigen.

23. Juni, Johannisfest: Fackeln werden vom Canigou-Berg gebracht; volkstümliche Tänze; Laternenumzug mit “Farandole” in der Arena, Blockflöten, Querpfeifen, Trachten, Folkloretänze.

Ende Juni bis Anfang Juli: diverse Festumzüge und Vorführungen in der Arena; Wettrennen der Stierhüter der Camargue auf ungesattelten Pferden: “La course de Satin”.

Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung:

Abtei Montmajour ( 5 km nordöstlich), 10. Jh.; die Stadt Béziers, das keltische Oppidum Enserune oder Saint-Gilles du Gard.

Saint-Polycarpe (Aude) und der versteckte Balken

Saint-Polycarpe – die ehemalige Klosterkirche der Benediktiner liegt in der gleichnamigen Ortschaft Saint-Polycarpe, im Département Aude in Frankreich, östlich von Limoux. Als Wehrkirche ausgebaut, ist sie seit 1913 als Monument historique klassifiziert.
Die dazugehörige Abtei wurde im 8. Jahrhundert von Atala, einem spanischen Adligen, gegründet. Ab dem 12. Jahrhundert gehörte sie zu den benachbarten Abteien von Lagrasse und Alet. Man erzählt sich, dass die Mönche von Saint-Polycarpe einen sehr schlechten Ruf hatten. Erst der letzte Abt schaffte es, ihrem schändlichen Treiben einen Riegel vorzuschieben. Die Gemeinschaft existierte dennoch bis Mitte des 19. Jahrhunderts, dann wurde sie verboten. Nur ein Mönch blieb übrig, angeblich um das Kloster zu verteidigen. Er wurde schließlich von seinem Gärtner ermordet. (Also ist der Mörder tatsächlich immer der Gärtner! 🙂 )
Heute, nach einem Brand, ist die idyllisch gelegene Abtei eine Ruine. Der Kreuzgang wurde abgebaut und stückweise verkauft. Ein Teil war für den Garten eines Barons namens Bich bestimmt.

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Der Heilige Polycarpe und die Abteikirche von Saint-Polycarpe

Der Heilige Polycarpe gilt als “apostolischer Vater”, was bedeutet, dass er die Apostel aus der Zeit von Jesus noch persönlich kannte. Er soll vom Apostel Johannes zum Bischof von Smyrna eingesetzt und von den Römern hingerichtet worden sein. Sie nannten ihn den Zerstörer der alten Götter.
Die restaurierte romanische Abteikirche von Saint-Polycarpe geht auf das 12. Jahrhundert zurück. Es handelt sich um einen einschiffigen Bau, dem im Westen ein massiver Turm vorgesetzt ist, welcher im Untergeschoss den Narthex (Vorhalle) der Kirche bildet. Das Eingangsportal wurde im 17. Jh. umgestaltet. Ein Besuch dieser Kirche lohnt sich: Sie besitzt nämlich zwei Altäre, deren Tischplatten auf Steinsäulen mit karolingischem Basrelief stehen – wie auch jener Altar im benachbarten Rennes-le-Château, als im Jahr 1865 Abbé Bérenger Saunière dort eintraf, die Deckplatte abnahm und in der Aushöhlung einer der Steinsäulen einige Pergamente entdeckte.

Zum Vergleich – einer der beiden Stützsteine des alten Altars der Kirche Sainte-Marie-Madeleine von Rennes-le-Château, den der Pfarrer während der Restauration entfernen und später im Außenbereich anbringen ließ. (Die Inschrift “Mission 1891” wurde erst später, also zu diesem Zeitpunkt angebracht.)

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Die Reliquienbehälter der Heiligen Polycarpe und Benoît (Benedikt).

Die alten Fresken

Saint-Polycarpe – die berühmten Gemälde von Annel Auriac, 17. Jahrhundert

An der linken Wand befindet sich ein riesiges allegorisches Gemälde, das den Heiligen Polykarp und den Heiligen Benedikt darstellt, die bei der Kreuzigung assistieren. Es ist das Werk eines Malers aus Limoux (Annel Auriac), aus dem 17. Jahrhundert.

Zum Buch mit Schwert: Die aufgeschlagene Seite besagt: L =1 = Buch Leviticus (das 3. Buch des Pentateuch) Seite 1 = Kein Schwert kommt über euer Land.

Das Gemälde rechts trägt den Titel “Die drei Marien am Grab”. Es zeigt Maria Magdalena mit leuchtendem Heiligenschein, rotem Gewand, Salbgefäß und merkwürdiger “Kniehaltung”. Das Bild stammt vom selben Maler aus Limoux, Annel Auriac, 17. Jahrhundert. Während Maria, die Mutter Jesu, hier kaum mehr in Erscheinung tritt, und Maria, die Frau des Klopas, das Gesicht in Richtung Golgatha-Kreuze abwendet, scheint Maria Magdalena bereits in die Zukunft zu schauen: Sie umfasst mit beiden Armen das angezogene rechte Knie und verhält sich, als sei das leere Grab für sie schon Vergangenheit. Sieht sie bereits die Szene im Garten Gethsemane vor sich, die sich wenig später abspielt? Als sie auf Jesus trifft und ihn zuerst für den Gärtner hält? (Schon wieder Gärtner?) Jesus verbietet ihr, ihn zu berühren: Noli me tangere! Worauf Maria Magdalena ihr Knie nun vor Jesus beugt … (s. Gemälde rechts unten)

Eines lässt sich auch hier in Saint-Polycarpe nicht leugnen: In Südfrankreich wird Maria Magdalena ganz besonders verehrt!

In allen Regionen stößt man auf ihr geweihte Kirchen, Klöster sowie Statuen, die sie darstellen sollen. Dies geht vermutlich auf eine mittelalterliche Legende zurück, in der Maria Magdalena nach dem Tod von Jesus aus Palästina flüchtete. “Zusammen mit ihrer Schwester Martha, ihrem Bruder Lazarus, der reichen Jüngerin Maria Salome, der frommen Maria Jakobi, dem Apostel Maximus und dem mumifizierten Leichnam der Heiligen Anna (Mutter Marias), bestieg Maria Magdalena ein ruderloses Boot. Die Meeresströmungen brachten die Flüchtlinge zur Küste Südfrankreichs nach Marseille”.* Ein Reliquiar der Kirche Saint-Maximin-la-Sainte-Baume (Département Var), wo auch der Totenkopf der Heiligen Maria Magdalena aufbewahrt wird, stellt diese Szene dar.
In Béziers, in der Kapelle der Blauen Büßer, hängt ein großes Gemälde von der Überfahrt der Maria Magdalena. Und in Rennes-le-Château (s. oben) war der Priester geradezu ein Fan dieser Heiligen. (Basrelief unterhalb des Altars, Glasfenster, Statue; “MM”-Initialen an den Wänden, Tour Magdala usw.)

* Quelle: Charland, P.V., “Les Trois legends de Madame Saincte Anne”, Charland & Co., Montréal 1898, S. 209

Die Glasfenster

Der geheimnisvolle Balken von Saint-Polycarpe

ist so versteckt angebracht, dass man ihn beim Eintritt in die Kirche glatt übersieht. Er befindet sich nämlich in ganzer Länge unterhalb der Ballustrade und damit direkt über dem Kopf des Besuchers (Taschenlampe mitbringen!)
Weder in Saint-Polycarpe noch im Netz oder in den Reiseführern wird auf diesen interessanten Balken aufmerksam gemacht. Die Bemalung stammt aus dem Spätmittelalter; ich selbst vermute anhand der Bekleidung einzelner Figuren (Kopfbedeckung und Pumphosen) das 15./16. Jh. Über die Zeichnungen hinaus, die Szenen aus der Heiligen Schrift (oft aus der Offenbarung des Johannes) zeigen, gibt der Balken bis heute Rätsel auf: Befand er sich schon immer dort, nahezu unsichtbar im Eingangsbereich der Kirche?
Wer hat ihn bemalt und warum? Handelt es sich vielleicht um eine “Strafarbeit” für einen ganz besonders lasterhaften Bruder? 🙂 Niemand weiß es!

In meinem Historischen Roman “Sancha – Das Tor der Myrrhe”, der in großen Teilen in diesem Kloster spielt (Romanbeginn: “Die Worte des Abtes von Saint-Polycarpe waren stets von großer Klarheit …”) habe ich mich intensiv mit diesem Balken beschäftigt und eine eigene Entstehungsgeschichte erfunden. Vielleicht kommt sie ja der Wahrheit gefährlich nahe … 🙂

Die einzelnen Fotos können durch Anklicken vergrößert werden!

Saint-Polycarpe – Die Abstellkammer

Bei meinem zweiten Besuch in Saint-Polycarpe im Jahr 2017 (einige Fotos stammen aus dem Jahr 2006) hatte ich beim Eintritt das Glück, auf eine alte Dame zu treffen, die sich um die Kirche kümmerte und stolz darauf war, mir alles zeigen zu dürfen. Zum Schluss führte sie mich sogar in die Abstellkammer, was mich, ganz ehrlich, besonders freute, denn dort entdeckt man – nach meiner Erfahrung – interessante, aber auch oft kuriose Sachen …

Eine besondere Rolle in “Sancha – Das Tor der Myrrhe” spielt ein altes Aquädukt, das das ehemalige Kloster Saint-Polycarpe im Mittelalter mit Wasser versorgte …

Mit einem lustigen Schnappschuss, der ganz in der Nähe gelang, schließe ich diesen Artikel und bedanke mich herzlich für Ihr Mitkommen nach Saint-Polycarpe!

Am Rande ein, zwei Tipps:
Empfehlenswert ist auch der Besuch der in der Nähe liegenden Abtei Saint-Hilaire, wo sich die Grablege der berühmten Trencavel-Grafen aus Carcassonne befindet.
Auch Alet-les Bain sollte man gesehen haben.
Und natürlich Rennes-le-Château sowie Rennes-les-Bains, wo schon die Römer gebadet haben …
Zum Schluss gönnen Sie sich zur Erfrischung ein Glas Blanquette in Limoux!
Und zum Einstieg in die Geschichte des Katharerlandes lege ich Ihnen meine Historischen Romane ans Herz: Die Töchter des Teufels.

Romanschauplatz Rocamadour – wichtige Etappe auf dem Weg nach Compostela

Rocamadour, der Einsiedler Amadour und die wundersame Kapelle

Rocamadour (auch Roc-Amadour oder lateinisch: Rupes Amatoris), ist eine französische Gemeinde mit ungefähr 600 Einwohnern im Département Lot in der Region Okzitanien. Hier treffen die historischen Provinzen Querzy und Périgord aufeinander. Der berühmte Wallfahrtsort liegt auf einer Steilklippe oberhalb des Alzou-Tals und im Naturpark Causses du Querzy.
Die Ursprünge der Wallfahrt reichen bis in die vorchristliche Zeit zurück (Verehrung der Göttin Sulevia/Kybele).
Als im Jahr 1166 ein unverwester Leichnam in einem alten Grab an der Schwelle der Marienkapelle gefunden wurde, glaubte man den legendären Einsiedler Amadour gefunden zu haben. Amadour soll mit Martialis von Limoges* Mitte des 3. Jahrhunderts nach Gallien gekommen und sich als Einsiedler unter dem Felsen niedergelassen haben. Angeblich hat er aus einem Baumstamm eine Marienfigur geschnitzt, die seitdem in Rocamadour verehrt wird. (Eine andere Legendenfassung erzählt von einem aus Ägypten gekommenen Einsiedler.)
Berichte über verschiedene Wunder, die sich hier ereignet haben sollen, machten Rocamadour weltweit bekannt. Auch der Heilige Ludwig, König von Frankreich (1226-1270), seine Brüder und seine Mutter Blanche von Kastilien machten sich im Mai 1244 auf eine Pilgerfahrt nach Rocamadour.
Weitere bekannte Wallfahrer waren der heilige Dominikus, der heilige Bernhard von Clairvaux und der Philosoph Raimundus Lullus.

  • Martial von Limoges (auch Martialis) war gemäß der Überlieferung der Katholischen Kirche der erste Bischof von Limoges.

Die kleineren Fotos können durch Anklicken vergrößert werden!

In meinem Psychothriller “Talmi” macht sich eine Handvoll “Gralsforscher” auf die Suche nach den mysteriösen Cagoten. Auf ihrer Reise besuchen sie auch Rocamadour …
Nachstehend ein kleiner
Romanauszug:

Über die berühmte Wallfahrtsstätte Rocamadour, im Hoch-Quercy gelegen, wäre viel zu berichten gewesen, hätte es den Gralsforschern an diesem Tag nicht an Schwung gefehlt. Wir waren zu müde und zu faul …, schrieb Lisa Söllner in ihr Tagebuch. “Irgendwie erschöpft …” Daher folgten nur ein paar kurze, Rocamadour nicht wirklich gerecht werdende Zeilen, die andererseits für den vorliegenden Fall kaum Relevanz besaßen. Der Vollständigkeit halber soll Söllners Eintrag dennoch hier seinen Niederschlag finden:

Im Heiligtum, kühn an einen 150 Meter hohen Felsen gehängt”, schrieb sie, entdeckt man in einer sogenannten ‘wunderwirkenden Kapelle’ eine wild aussehende, vor allem von Compostela-Pilgern hochverehrte Schwarze Madonna, einer ägyptischen Bastet Göttin nicht unähnlich, wie Nigel meinte; sie wird schwer bewacht, steht hinter Glas. Der Heilige Amadour (Zöllner Zachäus? Nachlesen!!!), dessen Gebeine hier begraben sind, soll die Jungfrau aus einem Baumstamm geschnitzt und sie in die Gruft der hiesigen Göttin Sulevia = Kybele (!) gestellt haben. Außerhalb des Heiligtums, hoch über unseren Köpfen, um ein Haar hätten wir es übersehen, steckte mitten im Fels ‘La Durandal’, das berühmte, leider heute völlig verrostete Rolandsschwert. (Es kommt ebenfalls im Atta Troll zur Sprache – ist das nicht verrückt?) Erwähnenswert ist auch eine wundersame Glocke aus dem 9. Jahrhundert, die bei Seenot immer dann von selbst läutete, wenn die Matrosen die Schwarze Madonna von Rocamadour anflehten. O Wunder über Wunder!” 😉 😉 😉
Hinter die letzte Bemerkung hatte Lisa drei augenzwinkernde Smilies gesetzt.
Ein Nachtrag bezog sich auf die Schwarze Madonna: “Im französischen Reiseführer nachgelesen – Die ursprüngliche Madonna aus Zedernholz galt als gestohlen. Man hat sie 1794 in einem alten Archiv wiederentdeckt. Zu Pfingsten sollte sie aufgrund ihres wilden Aussehens (!) auf dem Place du Martouret verbrannt werden. Die Figur stand bereits in Flammen, als man ein Geheimfach entdeckte, in dem sich ein Pergament befand. Doch auch dieses wurde zu Asche, noch bevor jemand einen Blick darauf hatte werfen können. Wie schade!!!

Die “wunderwirkende” Marienkapelle von Rocamadour
und die Schwarze Madonna “Notre Dame de Rocamadour”

Die bedeutendste der sieben Kirchen, die sich im “Heiligen Bereich” von Rocamadour befinden, ist die Marienkapelle, die direkt über der Krypta des Heiligen Amadour steht. Die heute dort verehrte Madonna stammt vermutlich 9. Jahrhundert. Sie ist aus Walnussholz geschnitzt, ungefähr 66 cm hoch und steht gut geschützt hinter Glas über dem Altar. Repliken (z.B. die nachstehenden Aufnahmen aus dem Jahr 2006) zeigen sie im unbekleideten Zustand.
Folgende Wunder werden ihr zugeschrieben: Sie erweckt ungetaufte Babys wieder zum Leben, verleiht Fruchtbarkeit, befreit Gefangene und beschützt Seeleute. (Foto unten, Schiffe). Im Jahr 1534 befestigte der Seefahrer Jacques Cartier auf dem Mast seines nach Kanada segelnden Schiffes als Schutz vor Unwettern die Fahne der Madonna von Rocamadour.
Ein Benediktiner schrieb im 12. Jahrhundert die ersten Wunderberichte nieder.

Erwähnt werden sollte an dieser Stelle auch die Basilika Saint-Sauveur in Rocamadour, die – gemeinsam mit der Krypta – seit 1998 als Teil des Weltkulturerbes der UNESCO “Jakobsweg in Frankreich” ausgezeichnet ist. Daneben gibt es noch drei weitere Kapellen: St. Jean-Baptiste, St. Blaise, St. Anne und St. Michel.


Die Schwarze Madonna von Rocamadour wurde verehrt und zugleich gefürchtet: Angeblich soll sie im 8. Jahrhundert “die Ungläubigen überall” in die Flucht geschlagen haben. Im Jahr 1212 brachte sie der Legende nach den Heeren von Aragon, Kastilien und Navarra den Sieg von Navas de Tolosa.
Und kein Geringerer als Simon von Montfort (1164-1218), Graf aus der Île-de-France, später zeitweise Vizegraf von Béziers und Carcassonne, Herzog von Narbonne und Graf von Toulouse, machte sich als Heerführer des Albigenserkreuzugs (nachdem seine Soldaten das halbe Land verwüstet, die Ölbäume der Katharer entzwei geschlagen und die Weinstöcke herausrissen hatten) auf den Weg nach Rocamaour – wo er vor der Madonna auf die Knie sank und um seinen Seelenfrieden bat.

(s. a. “Sancha – Das Tor der Myrrhe”, Seite 148)
Unterhalb des Altars soll sich ein alter Druidenstein befinden.

Es gibt auch ein Insignum der Schwarzen Madonna von Rocamadour (links oben), wo sie auf einem Thron sitzt und in der Hand ein mit Lilien verziertes Zepter hält (so die Beschreibung). Das Insignum ist von einer Mandorla* umgeben.
Solche Abzeichen und Medaillen wurden im Mittelalter in der Rue de la Mercerie in Rocamadour hergestellt und an die Pilger verkauft, die es – neben der Jakobsmuschel – an ihren Hut oder ihr Gewand hefteten.

*Mandorla (ital. für “Mandel”) ist ein Begriff aus der Kunstgeschichte und bezeichnet eine Aura (Aureole) rund um eine ganze Figur. Von Ausnahmen abgesehen sind Mandorlen Christus vorbehalten.

Hochzeit in Rocamadour – und zugleich Nagelprobe? 🙂

Rocamadour – die Gartenanlage mit einer Statue, die vielleicht (?) an die Göttin Sulevia* erinnern soll, einer Totengottheit (Kybele), der in grauer Zeit Menschen geopfert wurden.
(Wobei die überkreuzten Arme auch an das Machtsymbol der Pharaonen erinnern.)

Rocamadour – zur “blauen Stunde” im Dorf, das unterhalb des Heiligtums liegt

Hier schmiegen sich die mittelalterlichen Häuser von Rocamadour an die steilen Abhänge über der Schlucht des Flusses Alzou.
Die Besucher können entweder die Große Treppe zum Heiligtum (Sanctuaire) hinaufsteigen – oder aber, ganz bequem, einen Personen-Aufzug nach oben nehmen.

Mit einem letzten Foto, das “Rocamadour bei Nacht” zeigt, bedanke ich mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeit!

Einige Hinweise zum Schluss:

Sehenswert ist auch die Basilika Saint-Sauveur, die zusammen mit der Krypta seit 1998 zum Weltkulturerbe “Jakobsweg in Frankreich” zählt.
Ein Museum mit sakraler Kunst (zahlreiche Reliquienschreine, Gemälde und Statuen).
Ein Zentrum für geistliche Musik, das Konzerte ausrichtet.
Eine Burg aus dem 14. Jahrhundert, die sich auf dem Gipfel des Berges befindet. Auf diesem Plateau wurde 2013 ein Campingplatz für jugendliche Pilger und Pfadfinder eröffnet (400 Plätze)
In der Umgebung von Rocamadour ist der Dolmen de Magés zu finden.
Weitere Sehenswürdigkeiten: Raubvogelschutzzentrum, Affenwald, Taubenturm.