Ein Gang durch Salamanca – Teil 2

Blick auf die Kathedrale von Salamanca

Neue Kathedrale von Salamanca –
Asunción de la Virgen

Die Neue Kathedrale von Salamanca (gotisch) befindet sich – leicht versetzt – oberhalb der Alten Kathedrale (romanisch). Der Anbau wurde im XVI. Jh. veranlasst, weil man in dieser Epoche den romanischen Stil nicht mehr schätzte, ja, für zu unbedeutend hielt, um die Stadt angemessen repräsentieren zu können.
Das Westportal wurde im Jahr 1670 leider durch eine neue, eher langweilige Fassade ersetzt. Auch an den Türmen wurden Veränderungen vorgenommen.
Die gesamte Westseite musste schließlich – nach dem Erdbeben von Lissabon im Jahr 1755 – neu verkleidet werden, da sie schwere Schäden erlitten hatte.
Auch das Kuppelgewölbe wurde durch das Erdbeben zerstört und musste abgetragen werden. Die Rekonstruktion ist seitdem stark mit Reliefs verziert.

Der Innenraum der Neuen Kathedrale von Salamanca beeindruckt nicht zuletzt aufgrund seiner Größe und Pracht, so dass man in Kunstkreisen Vergleiche mit der Kathedrale von Sevilla zieht.

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Alte Kathedrale von Salamanca
– Santa Maria de la Sede

Die Alte Kathedrale von Salamanca (Romanisch) steht ihrerseits auf dem Grundstück der alten westgotischen Hauptkirche. Mit ihrer Planung wurde in den 40er und 50er Jahren des XII. Jh. begonnen. Der Grundriss hat die Form eines lateinischen Kreuzes mit drei Schiffen, die in halbkreisförmige Absiden auslaufen. Die alte Kathedrale erreicht man vom Inneren der Neuen Kathedrale über eine Treppe. Die romanisch-frühgotische Kirche erhielt im Jahr 1854 den Rang einer Basilica minor. Seit 1988 ist sie Teil der UNESCO-Weltkulturstätte in der Altstadt von Salamanca. Das Langhaus ist 52 Meter lang und das Mittelschiff fast 17 Meter hoch. Der Nordturm mit den Glocken gehört sowohl zur Alten als auch zur Neuen Kathedrale. Er erhielt seine Gestalt erst im 18. Jahrhundert, nach dem Erdbeben von Lissabonn (1755).
Beachtenswert ist die gotische Wandbemalung, die zu den hervorragendesten ihrer Art in Europa zählt.

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Virgen de la Vega –
Die Schutzpatronin von Salamanca

Im Mittelpunkt des Altarretabels, das dem florentinischen Maler Dello Delli zugeschrieben wird und aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammt, steht die Virgen de la Vega, die Schutzpatronin von Salamanca, die aus dem gleichnamigen Kloster in die Alte Kathedrale gebracht wurde. Die spätromanische Statue aus dem 13. Jahrhundert besitzt einen verkupferten, mit Cobochon-Gemmen und Limosiner Email verzierten Holzkörper. In der Halbkuppel oberhalb des Retabels (s. oben) ist das Jüngste Gericht dargestellt. Das Mitte des 15. Jahrhunderts entstandene Fresko stammt von Nicolás Florentino und passt sich, im Gegensatz zu den übrigen Retabeln, bereits vollständig an die italienische Renaissance an.

Kuriositäten an der Portada de Ramos – Nordseite der Neuen Kathedrale in Salamanca

An der Nordseite der Kathedrale, am Portal de Ramos, befindet sich ein schönes Relief, auf dem der Einzug in Jerusalem abgebildet ist. Der Künstler ist Juan Rodríguez, der auch das Relief an der Portada del Nacemiento geschaffen hat.
Vergnüglich sind die Kuriositäten anzusehen, die sich ebenfalls am Portal de Ramos befinden: Ein Astronaut, ein Luchs, ein Stier, ein eisschleckender Drache, ein Flusskrebs, ein Storch und ein Hase. Es ist alter Brauch in Salamanca, dass man bei jeder Restauration ein neues kurioses Element hinzufügt.

Das Grüne Salamanca –
Der Huerto de Calixto y Melibea

Es gibt nicht nur alte Steine zu bewundern, in dieser sehenwerten Stadt – ein Muss ist auch der Besuch des Huerto de Calixto y Melibea, einer der beschaulichsten Gartenanlagen von Salamanca, in unmittelbarer Nähe der Kathedrale liegend. Die Pilger, die hier in der benachbarten Herberge übernachten, wissen die grüne Oase zu schätzen. Die Parkanlage mit ihrer üppigen Vegetation erinnert an die Gartenanlagen früherer Paläste, der Name an die Komödie La Celestina, besser bekannt unter dem Namen “Comedia de Calisto y Melibea” von Fernande de Rojas. Der Autor dieses Theaterstücks studierte in Salamanca und behauptete, hier ein unvollendetes Manuskript gefunden zu haben, das er zu Ende geführt hat. Vom Huerto de Calixto blickt man hinunter auf die Flussebene des Tormes.

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Jetzt aber unbedingt eine kleine Stärkung – eine Tasse Kaffe und ein paar knusprige Churros?
Rezept für den Brandteig: 150 ml Wasser, 50 ml Milch, 2 EL Butter, je 1 Prise Zucker und Salz, 120 g Mehl, 2 Eier …
Buen apetito!


Das sollte man vielleicht noch wissen:
Die Kathedrale von Salamanca liegt nur wenige Gehminuten von der Plaza Mayor entfernt. Die Neue und Alte Kathedrale von Salamanca ist täglich geöffnet. Der Eintrittspreis beinhaltet einen Audioguide sowie den Besuch des Kreuzgangs und des Museums. Kinder, Studenten und Rentner erhalten eine Ermäßigung.

Verkehrsnetz:
Salamanca ist an das spanische Autobahnnetz angeschlossen. In Nord-Süd-Richtung (z.B. Zamora/Cáceres) verläuft die A-66, nach Westen (Ciudad Rodrigo und Portugal) die A-62, die umgekehrt in Richtung Nordosten nach Valladolid führt. Nach Osten (Richtung Ávila) verläuft die A-50.

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Ein weiterer virtueller Gang durch Salamanca: Teil 3: Plaza Mayor, Clerecía, San Esteban etc./ oder in die
Templerkirche San Marcos, Salamanca

Magische Orte in der Umgebung von Salamanca – optimal für einen Tagesausflug mit dem Auto: (z.B. Römerspuren, die älteste Kirche Spaniens und Kirchen aus der Zeit der Westgoten, Templer usw.)

Astorga
Ciudad Rodrigo
Merida
Penalba
Pino del Oro
Toledo
Toro 1
Toro 2
Zamora
Santa Maria Wamba
San Pedro de la Nave
San Juan Bautista de Baños
Segovia
Urueña
Verracos

Limoux (Aude) – und die rätselhafte Kapelle der Augustiner

Limoux, eine kleine, quirlige Gemeinde in Südfrankreich, liegt am ausgeuferten Flussbett der Aude, ungefähr zwanzig Kilometer südlich von Carcassonne. Die Geschichte der Stadt geht bis auf das Jahr 844 zurück, als Karl der Kahle Limoux der nahegelegenen Abtei Saint-Hilaire übertrug. Im 10. Jahrhundert zählte Limoux zur Grafschaft des Razès. Im 13. Jahrhundert – der Zeit der Katharer – wurde der Ort von Simon de Montfort eingenommen, dem Anführer des Albigenserkreuzzuges. Montfort übergab Limoux seinem treuen Ritter Lambert de Thury. Im Jahr 1296 zählte Limoux dann zur französischen Krone. Dies nur kurz zur Geschichte …

Limoux und die Blanquette
Ein Glas dieses exzellenten Schaumweins in einer der gemütlichen Bars auf der Place de la République sollte man sich schon gönnen, wenn man Limoux besucht. Hier ist nämlich die Heimatstadt der Blanquette, erfunden von den Mönchen der benachbarten Abtei Saint-Hilaire, und gekeltert aus einer Gutedeltraube, die hier wächst.

Übrigens: In Limoux serviert man Ihnen die Blanquette gerne mit einem kleinen Teller Grieben, d.h. ausgelassenem Schweinespeck!

Limoux und sein Karneval
Die Stadt ist nicht zuletzt durch ihre Karnevalsumzüge berühmt geworden, wobei sich hier die Saison über zwei Monate erstreckt. Von Mitte Januar bis Mitte März finden an jedem Samstag und Sonntag spektakuläre Umzüge statt, bei denen man auch die geheimnisvollen weißen Pierrotkostüme bewundern kann.
Die Traditionen, in denen früher die örtlichen Müller eine Rolle spielten, reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück. Leider ging es dabei nicht immer “lustig” zu!
Emmanuel le Roy Ladurie schreibt über den Karneval von Limoux folgendes:

“Vom 16. bis 20. Jahrhundert hat der Karneval des Languedoc (Montpellier, Limoux), ganz wie der römische, in völligem Einklang mit dem damaligen Katholizismus, die unglücklichen Juden oder Marranen* der Gegend verspottet …”

*Marranen: Spanische Juden und Muslime, die unter Zwang zum Christentum bekehrt wurden.

Doch nun zum eigentlichen “Schatz” von Limoux – der rätselhaften Augustiner-Kapelle

Der Bettelorden der Augustiner, benannt nach dem Kirchenvater Augustinus von Hippo, wurde im Jahr 1244 in Rom gegründet. Erste Mönche kamen bereits im Jahr 1306 nach Limoux, wo der Orden rasch an Ansehen und Bedeutung gewann: Eine Kirche wurde gebaut, ein Kloster und eine Schule errichtet – sowie jene kleine “Kapelle des Ordens der Augustiner”, die äußerlich heute ein eher bescheidenes Dasein fristet – eingequetscht zwischen zwei neueren Häusern.
Das Altarbild, der Hochaltar und die Kanzel stammen noch aus dem Jahr 1695 und stehen seit 1970 unter Denkmalschutz.

Kurzbeschreibung des Portals:

Direkt über dem Eingang verläuft ein schöner Fries mit Akanthusblättern. Die beiden Heiligenfiguren oberhalb der Fabeltiere zeigen (rechts) Barbara mit dem Turm, (links ?). Im steinernen Schnitzwerks des Giebelfeldes befindet sich, getragen von zwei Engeln, ein Wappen mit der Christuskrone und zwei brennenden Herzen.
Dem ersten Portal folgt ein zweites aus Holz, das die lateinische Inschrift trägt: DOMUS MEA DOMUS ORATIONIS EST – und damit an eine der Inschriften vor der Eingangstür der Magdalenenkirche in Rennes-le-Château erinnert: DOMUS MEA DOMUS ORATIONIS VOCABITUR.

Diese (unvollständigen) Inschriften stammen aus zwei verschiedenen Quellen, besagen aber ungefähr dasselbe: “Mein Haus ist ein Bethaus … ihr aber habt’s gemacht zu einer Räuberhöhle.

Folgen Sie mir nun ins Innere der rätselhaften Kapelle, die mit ihren farbenprächtigen Wandbemalungen und Gemälden nicht wenige Parallelen zur Dorfkirche Sainte Marie-Madeleine in Rennes-le-Château aufweist, und zugleich an die Basilika Notre-Dame-de-Marceile (nahe Limoux) erinnert.

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Die nächsten drei Fotos

Fußbodenmosaik mit herrlichen Fünfzack-Sternen, die aber auch Lilien darstellen können.
Säulen aus rotem Marmor aus Caunes, Goldverzierungen, kniend die Heilige Philomena mit dem Anker
Bunte Wandbemalung, Fenster Maria Himmelfahrt, Wappen mit Freimaurersymbolen, Monogramm “BS”, Silberdisteln als Symbol für Kraft

Der Höhepunkt in der Augustiner-Kapelle von Limoux
ist das Altarbild eines anonymen Malers.
– Der Versuch einer Deutung –

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Erst als ich meine Fotografie aus dem Jahr 2006 (links) daheim bearbeitete, erkannte ich, dass es sich bei dem Gemälde hoch oben im Altarbild, um eine Kreuzigungsdarstellung handelt – und um die Geschichte des Heiligen Augustinus (354-430 n. Chr.). Erleuchtet vom Heiligen Geist, der als Taube über ihm schwebt, widerfährt dem römischen Bischof und Kirchenlehrer sein wahres Bekehrungserlebnis. Er legt Bischofsmütze und Stab ab, kniet nieder und unterwirft sich Christus.
Doch es befindet sich noch jemand auf diesem Bild: Eine junge Frau, die ihr Kind stillt. Spontan denkt man an die Mutter Gottes mit dem Jesuskind – nur nicht in diesem Kontext, also sitzend vor ihrem erwachsenen gekreuzigten Sohn, den sie zeitgleich als Kind auf dem Schoß hält.

Leben und Tod als Gegenpol?

Was hat sich der unbekannte Maler, der wohl im Auftrag der Mönche arbeitete, dabei gedacht? Gewiss hatte er sich zuvor eingehend mit dem Heiligen Augustinus befasst. Demzufolge wusste er, dass Augustinus in Karthago eine langjährige Verbindung zu einer Konkubine unterhielt, die ihm einen Sohn gebar, den er “Adeodatus” nannte (“Der von Gott gegebene”). Kenntnis hatte der Maler bestimmt auch darüber, dass sich Augustinus zeitweise der “ketzerischen” Lehre der Manichäer anschloss. Die Manichäer waren strenge Dualisten*, die an die widerstreitenden Kräfte von Gut und Böse glaubten, von Geist (Gott) und Materie, von Licht und Finsternis. Die demzufolge auch Leben und Tod als Gegensatz sahen. Und gerade dies spiegelt das rätselhafte Gemälde für mich wider: Leben und Tod als Gegenpol – wie eben auch das Göttliche und das Weltliche. Und in diesem Sinne kann auch die Darstellung der eher schlichten jungen Mutter mit Kind als weltliches Pendant zur Mutter Gottes mit dem Jesuskind gesehen werden.
Dass für den Künstler der Heilige Augustinus die wohl wichtigste Person auf dem Gemälde war, bezweifelt vermutlich niemand, trägt er doch als einziger einen Heiligenschein.

*Dualismus: philosophisch-religiöse Lehre von der Existenz zweier Grundprinzipien des Seins, die sich ergänzen oder sich feindlich gegenüberstehen (z. B. Gott – Welt; Leib – Seele)

Die Türme

Der Heilige Augustinus soll einmal über sich selbst geschrieben haben: “In deinen Augen, Herr, mein Gott, bin ich mir zum Rätsel geworden!” (Conf. X 33,50).
Rätselhaft ist auch der Fensterausschnitt auf dem obigen Altargemälde, der den Blick freigibt auf einen sich hinaufschlängelnden Weg und eine Stadt mit vielen Türmen.

Handelt es sich um Jerusalem? Gut möglich. Sogar sehr wahrscheinlich, wobei Augustinus auch hier die Gegenpole erkannte: Jerusalem verstand er als “Reich der caritas”, der Liebe, Babylon hingegen als “Reich der cupiditas”, der Habsucht und Geldgier.

Auch im Rätsel von Rennes-le-Château, (unweit von Limoux) stoßen wir auf einen auffälligen Turm: Den Tour Magdala, erbaut vom damaligen Pfarrer Bérenger Saunière. Maria Magdalena, eine frühe Anhängerin von Jesus, stammte bekanntlich aus Magdala (Migdal).
Migdal (hebräisch) bedeutet wie Magdala (aramäisch) Turm, Wachturm, Zitadelle – aber auch Fischturm: Migdal Nunayya). Nun, Migdal liegt am Westufer des fischreichen See Genezareth. Das Fischsymbol in der christlichen Tradition kennt heute jeder. Der Blick auf die Türme im Altarbild könnte zugleich ein Blick auf die Türme von Magdala sein. Das Große und das Kleine …

Links: Dieses dramatisch anmutende Gemälde, auf dem eine verzweifelte Maria Magdalena das Kreuz wie einen rettenden Turm umarmt, hängt ebenfalls in der Kapelle der Augustiner.


Übrigens, auch die Heilige Barbara (Portal am Eingang) wird stets mit einem Turm dargestellt. Doch dahinter steckt eine andere Geschichte …

Ein weiterer Deutungsversuch in Sachen Altargemälde, anhand einer lateinischen Inschrift:
“HINC LACTOR AB UBERE”

Unterhalb des kleinen Fensters befindet sich eine lateinische Inschrift, die neugierig macht: HINC LACTOR AB UBERE. Übersetzt heißt dies: “Ich nähre mich an ihrer Brust”. Es soll sich um eine mariologische* Aussage handeln. Bedeutet dies, dass es sich bei der stillenden Jungfrau (auch Isis wurde früher so gezeigt) um eine “Maria-Lactans-Darstellung” handelt? Um einen Hinweis des unbekannten Malers auf den Heiligen Bernhard von Clairvaux (1090-1153), den berühmten Kreuzzugsprediger? Der Legende nach war Bernhard von Maria mit einigen Tropfen Milch “erquickt” worden, worauf ihm eine “honigfließende Beredsamkeit” zuteil wurde.
Ein Zusammenhang besteht: Bernhardt von Clairvaux folgte der Prädestinationslehre* des Kirchenvaters Augustinus.

*Die Mariologie (die Lehre von Maria) ist ein Teilbereich der katholischen Dogmatik, die sich mit Maria, der Mutter Jesu befasst.
** Die Prädestination ist die Lehre von der Vorherbestimmung als Gottes unabänderlicher Ratschluss.

Der Isis-Knoten –
Ein letztes klärungsbedürftiges Detail auf dem Altargemälde

Ein letzter Blick noch auf den Lendenschurz des Gekreuzigten: Diese auffällige Knotenart war bereits bei den Ägyptern als heiliges Symbol bekannt. Man nennt ihn heute den “Isis-Knoten”. Er stellt in der Kunst eine Allegorie für das Heilige dar. Viele berühmte Maler griffen bei ihren Kreuzigungsdarstellungen darauf zurück, z.B. Caravaggio (“Kreuzabnahme”). Auch Maria Magdalena (Bild rechts) wird in der Kunst manchmal mit dem Isis-Knoten um den Leib dargestellt.

Eine kleine Schlussbemerkung

“Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle”, hat Albert Einstein einmal gesagt. Die südfranzösischen Kirchen stecken voller Geheimnisse, voller Mystik, und das Spannende daran ist, dass sich jeder Besucher selbst am Versuch einer Deutung beteiligen kann, wenn er das möchte.
Zum Schluss noch zwei eher stimmungsvolle Fotos aus Limoux, mit denen ich mich herzlich für Ihr Interesse bedanken möchte!


Weitere magische Geschichten über Limoux? 

Die Mönche der Abtei Saint-Hilaire und die Blanquette de Limoux

Limoux (Aude) – und die Madonna ohne Kopf

Zusätzliche Quellen:
Rennes-le-château-archive com
Emmanuel Le Roy Ladurie, Die Bauern des Languedoc, Stuttgart 1983
//symboldictionary.net/?p=531

 

Serres (Aude): Das Kreuz mit dem doppelten Kreuz und andere Merkwürdigkeiten

Inhaltsverzeichnis

Serres ist eine kleine südfranzösische Gemeinde im Département Aude, in der Region Okzitanien.

Der nur 70 Einwohner zählende Ort liegt am Flüsschen Rialsesse, das nach nur einem Kilometer in die Sals mündet, die ihrerseits in Couiza in die Aude fließt.

Nur vier Kilometer östlich liegt der prachtvolle Wohnbergfried von Arques, über den ich bereits geschrieben habe.

Geweiht dem “Heiligen Petrus in Ketten”

Die eher unscheinbare kleine Kirche von Serres, die “dem Heiligen Petrus in Ketten” geweiht ist, ist vermutlich romanischen Ursprungs (11./12. Jh.)
Sie beherbergt Kreuze, faszinierende Wandmalereien und zwei Altar-Figuren, die Rätsel aufwerfen. LiebhaberInnen von Geheimnissen, vor allem von solchen, die einfach nicht entschlüsselt werden wollen, kommen hier voll auf ihre Kosten! 🙂

Das Kreuz mit den zwei Kreuzen – bis heute ungelöst!

In dieser Kirche, mittig über dem Altarbogen, kann man zwei Kreuze entdecken, die durch ihre Querarme miteinander verbunden sind. Den Grund für diese Darstellung kennt niemand. Rätselhaft auch die in einer Art Kartusche stehende Inschrift “INRI” (das Akronym des lateinischen Satzes “Jesus Nazarenus Rex Iudaeorum”) – rätselhaft deswegen, weil auch das zweite Kreuz (s. Foto oben rechts) eine solche Kartusche aufweist, jedoch ohne eine Inschrift.

Eine Verschwörungstheorie der Tempelritter?

Die zwei miteinander verbundenen Kreuze (aus rotem Ocker auf weißem Kalkgrund) sollen mit den Tempelrittern zu tun haben, sagt man – oder aber nach einem besonderen Vorkommnis angebracht worden sein. (Dabei könnte es sich um eine Epidemie im Ort gehandelt haben, vielleicht die Pest.) Das allein erklärt aber nicht die sonderbare Darstellung. Um einen Kalvarienberg (drei Kreuze mit Jesus in der Mitte) kann es sich eigentlich nicht handeln. Ein drittes Kreuz würde das Ensemble nach links abkippen lassen.
Doch was stellt dieses doppelte Kreuz (Jesus + ?) dann dar? Ein Hinweis auf die immer mal wieder auftauchende Theorie, nach der – statt Jesus – ein (namenloser?) Doppelgänger am Kreuz hing? Eine Verschwörungstheorie der Tempelritter?
Nach dem Kirchenvater Irenäus von Lyon vertrat ein gewisser Basilides von Alexandria (gnostischer Häretiker) die Lehre, dass Simon von Cyrene gekreuzigt wurde und nicht Jesus, weil Jesus die Gestalt des Simon angenommen habe und umgekehrt (Doketismus). Dass nicht Jesus hingerichtet wurde, sondern ein anderer, der ihm ähnlich sah, steht auch im Koran (Sure 4,157).
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch Tempelritter der “Scheinleib-Theorie” anhingen. Schon gar nicht mitten im Katharerland*. Aber es gibt keine schriftlichen Aufzeichnungen, dass es sich bei der Kirche von Serres um eine ehemalige Templerkapelle handelt. Dafür sprechen nur die Bauweise und ein Tatzenkreuz (s. Foto oben), das sich an der Außenseite der Kirche befindet.
In der Nähe lag jedoch das Maison templière de Campagne-sur-Aude.

* Für die Katharer, die Dualisten waren, also an die Zweiteilung der Welt glaubten (gut und böse, oben und unten, schwarz und weiß), besaß Jesus auf Erden nur einen “Scheinleib”, denn sie sahen ihn als Engel und Prediger aus der geistigen Welt.

Eine weitere Theorie zum Doppelkreuz von Serres

Aus den sogenannten Pilatusakten des Nikodemus-Evangeliums kennen wir die Namen der beiden “Schächer” rechts und links von Jesus am Kreuz: Dismas, der Reue zeigt und zu Jesus aufschaut, worauf Jesus ihm das Paradies verspricht – und Kosmas, der Jesus verhöhnt und den Kopf von ihm abwendet. (Wobei “rechts und links vom Kreuz” von den Künstlern oft unterschiedlich dargestellt wird, d.h. entweder aus der Sicht von Jesus oder aus der des Betrachters.)
Zurück zur Theorie: Man weiß, dass sich um den “guten” Schächer Dismas seit dem Mittelalter ein Kult entwickelt hat: Sowohl in der katholischen Kirche (25. März) als auch in der orthodoxen Kirche (23. März) ist Dismas ein Gedenktag gewidmet. Er gilt zudem als Patron für Gefangene und Verurteilte, und stellt damit einen Bezug zu “Petrus in Ketten”, also dem Namensgeber der Kirche von Serres dar.

Es wäre jedenfalls eine nachvollziehbare Erklärung für das Doppelkreuz von Serres, wenn es sich hierbei um das Kreuz des “guten” Schächers Dismas handeln würde, der Jesus ins Paradies nachfolgte.

  • Serres
  • Kreuzigungsszene aus Limoux (Augustiner-Kapelle)
  • Serres



Auch eine Überlegung wert: Vielleicht hat man irgendwann den Namen in der zweiten Kartusche schlicht nicht mehr entziffern können, worauf ein verzweifelter Restaurator ihn unter den Tisch fallen ließ.
Fest steht: Alles ist möglich in Serres, nichts ist sicher! 🙂

Serres und die alten Fresken

Zum Rätseln laden auch die alten Fresken ein, die sich leider nicht im besten Zustand befinden.
Links eine befestigte Stadt, vielleicht Jerusalem? Bei den Figuren soll es sich um zwei männliche Personen handeln, die heilige Bücher in den Händen halten, bzw. einen Bischofsstab.
Einen ersten Bischofsstab, jedoch ohne Kreuz, trug der Legende nach bereits Petrus! Vielleicht ist ja er auf diesen Fresken dargestellt?
Bei einer Frau (mit Palme?) soll es sich um eine Märtyrerin handeln.
Ich selbst erkenne eine Schale in der Hand einer Frau.

Nachfolgend eine kleine Foto-Galerie aus dem Kircheninneren, anklicken zum Vergrößern ist möglich:

Serres:
Und dann auch noch ein Kreuz mit diesen beiden Figuren? 🙂

Die beiden unbekannten Heiligen von Serres,
rechts und links vom Altar geben ein weiteres Rätsel auf.

Wer auf diese Weise die Arme verschränkt, wie es weibliche Figur macht, gibt erst einmal nichts von sich preis. Schon gar keine Geheimnisse. Auch keine Namen. Nichts.
Bei der männlichen Figur handelt es sich für mich um den Namensgeber der Kirche von Serres, den Heiligen Petrus. Die überkreuzten Hände (sind ihm vielleicht soeben die Ketten abgefallen?) und der sehnsüchtige Blick nach oben, sprechen eine deutliche Sprache. Mit Petrus lässt sich aber eventuell auch das Rätsel um die Frau klären: Sie könnte den Engel darstellen, der Petrus gerade aus dem Jerusalemer Gefängnis befreit hat.

So weit so gut. Doch was, wenn jener Engel (ohne Flügel!) gar kein Engel war, sondern die Angetraute des Petrus?
Hat ihn vielleicht seine Frau aus dem Gefängnis befreit? War sie sein Engel in der Not?
Dass Simon Petrus, der Fischer vom See Genezareth, verheiratet war, ist bekannt. Er lebte zumindest zeitweise im Haus seiner “Schwiegermutter”. Über seine Frau schweigt sich die Bibel seltsamerweise aus. Kein Name. Nichts. Nur, dass sie einmal mit Petrus auf Reisen ging?
Doch nicht etwa hierher, nach Serres? 🙂

Wirklich alles sehr merkwürdig in dieser kleinen Kirche in Serres.

Kreuzlastig und doppeldeutig:

Das Doppelkreuz
Die Doppelgänger-Theorie
Die zwei Figuren mit ihren überkreuzten Armen bzw. Händen
Und die beiden Zwillings-Puttenköpfe am Altaraufsatz, die aber jüngeren Datums sind.


Nur eines scheint gesichert: Die weißen Altar-Figuren waren früher polychrom, also bunt bemalt, bis man sie irgendwann “überkalkt” hat.
Schade eigentlich …

*********************
Aber dann gibt es auch noch seltsame Dokumente, s. unten!

Blick auf den nicht minder geheimnisvollen Berg Bugarach, Foto HLK 2017
Blick auf den nicht minder geheimnisvollen Berg Bugarach (Aude-Gebiet)

Und zum Schluss:
Allons-y! Goldsucher vor Ort aufgepasst!
(natürlich ohne Gewähr! 🙂 )

Drei kleine Anregung zum Weiterforschen für die interessierte Fan-Gemeinde:
Es existiert ein Auszug aus dem Dictionnaire Topographique du Département de l’Aude, der darauf hinweist, dass sich im Vatikan ein besonderes Dokument über Serres befinden soll. Es stammt aus dem Jahr 1347 und trägt den (geheimnisvollen?) Titel “Propositus de Serris”. (Studie zur Erforschung von Serres.)
( Alle Wege führen also nach Rom! 🙂 )

Ein Auszug aus dem SESA-Newsletter, Jahrgang 37 – 1933 besagt, dass “Der Sieur de Serres (bei Arques), Yves de Michel, dem Herzog Gaston d’Orleans eine Vorführung erweist hätte, und zwar über die reichen und reichlich vorhandenen Goldminen, die er zum Wohle des Königs genutzt hätte.

Last but not least existiert wohl auch ein Brief vom 23.5.1472 von König Louis XI. von Frankreich über das “Gold von Serres”.
Allons-y – und viel Glück! Aber nicht vergessen: Der Weg ist das Ziel! 🙂


Danke für Ihr Interesse!

Minervois: Notre Dame du Cros – reich an Legenden

Als ich im Jahr 2002 meinen Roman “Marie – Die Erbin des Grals” schrieb, befasste ich mich auch mit Henry Boudet, dem ehemaligen Priester von Rennes-les-Bains und einem der Drahtzieher im Geheimnis von Rennes-le-Château. Bei meinen Recherchen hatte ich erfahren, dass Boudet sein Vikariat (1862-1864) in der Region Caunes-Minervois durchlief – und zwar in der abseits gelegenen, kleinen Kirche Notre Dame du Cros.
Fünfzehn Jahre später machte ich endlich einen Abstecher hierher. Meine Neugierde war ungebrochen! 🙂
Von Minerve kommend, führte mich eine abenteuerliche Schotterpiste nach ND du Cros. Für die holprige Fahrt wurde ich allerdings voll entschädigt:

Eine stille, grüne Oase erwartete mich, flankiert von steilen Felswänden und einer Quelle. Eine Atmosphäre zum Durchatmen und Loslassen …

Alle Fotos können durch Anklicken vergrößert werden!

Notre-Dame-du Cros – ein altes Marienheiligtum und eine Wasserquelle?

Das passt sehr gut zusammen, denn im Mittelalter war man davon überzeugt, dass Quellen, Teiche und Brunnen Tore ins Jenseits darstellen, einen Zugang zu einer anderen (vielleicht göttlichen) Welt. Das Märchen von Frau Holle erzählt eine solche “Jungfrau-mit-Brunnen”-Geschichte. Frau Holle wird heute mit der alten Göttin Hulda gleichgesetzt – oder der Perchta, der Hel. Den Platz der alten Göttinnen hat längst die Jungfrau Maria eingenommen.

(Zwei weitere Beispiele für die Madonnenverehrung im Zusammenhang mit Brunnenheiligtümern: Notre Dame de Marceille, Ille-sur-Têt.)

Notre-Dame-du Cros – eigentlich ranken sich zuviele Legenden um diesen Ort:
In der ersten Legende geht der Ursprung der Kapelle auf das 6. Jahrhundert zurück, als eine Hirtin am Fuß der Klippe eine Quelle sprudeln sah und ihr krankes Kind daraus trinken ließ. Das Kind wurde sofort gesund. Daraufhin errichtete man als Zeichen der Dankbarkeit drei kleine Kapellen aus “trockenen Steinen”, die sogenannten “Capeletos”, und der Ort wurde fortan ein Wallfahrtsheiligtum.

(Alle Fotos können durch Anklicken vergrößert werden!)

Notre-Dame-du-Cros – jenseits der Legenden

Gegründet um das Jahr 900, erste Beurkundung auf einer Bulle des Papstes im Jahr 1118,
Hinterlassenschaften aus romanischer Zeit,
Altar für die Heilige Marguerite um 1280,
Glockenweihe 1607,
Prozession mit der Bitte um Regen 1612,
diverse Restaurationen und feierliche Einsetzungen im 18. und 19. Jahrhundert.

Eine andere Legende spricht von einer Jungfrau, die in der Höhlung eines Felsens gefunden wurde, an der Stelle der heutigen Kapelle. Weil dieser Ort zu weit abgelegen war, transportierte man die kleine Statue nach Caunes. Aber in der Nacht darauf verschwand sie wieder, um in ihre Felsenhöhle zurückzukehren. Der Versuch, eine Kapelle vor Ort zu bauen, scheiterte: Die tagsüber ausgeführten Arbeiten wurden in der Nacht systematisch zerstört. Schließlich wurde ein Hammer aus rotem Marmor in die Luft geworfen – und er fiel genau auf die Stelle, an der heute Notre-Dame-du-Cros steht.
(Auch die Legende des Hammers findet sich oft in alten heidnisch-christlichen Heiligtümern. Viele in frühen christlichen Gräbern aufgefundene Thorshämmer erinnerten an das christliche Tau-Kreuz.)

Eine dritte Legende, entnommen aus La minerve française, aus dem Jahr 1918, wurde von E. de Jouy berichtet: “Eine fromme Frau, die von Fieber und Durst gequält wurde, wagte es nicht, ihre Hände in die Mulde des Brunnens von Notre-Came-Du-Cros zu tauchen, um ihren Durst zu stillen. Sie rief die Jungfrau an und ein Becher kam aus dem Felsen. Sie trank und wurde geheilt. Seitdem haben Tausende von Menschen mit Fieber durch ihre Heilung die fiebersenkende Wirkung des Bechers von Cros bezeugt. Niemand konnte bislang erklären, aus welcher Materie dieser wundersame Becher besteht. Er soll aus einem unbekannten rötlichen Material sein (Anmerkung: der rote Marmor von Caunes?) und auf der Rückseite Zeichen tragen, die niemand entziffern konnte. Als Pilger versuchten, etwas davon wegzunehmen, glaubte der damalige Kaplan von Cros, der Abt Jaffus, ihn schützen zu müssen, indem er ihn mit einem silbernen Brustpanzer überziehen ließ.

Der Becher von Cros – eine Art Heiliger Gral? 🙂
Interessant finde ich in diesem Zusammenhang die Beschreibung der im Kloster San Juan de la Pena befindlichen Grals-Replik, die ebenfalls aus rötlichem Stein gefertigt ist (in diesem Fall aus Achat und mit Goldmonturen gesichert). Auch hier spricht man von einer mysteriösen Inschrift: “Es gibt eine arabische Beschriftung, deren Interpretation unsicher ist …” Welcher Becher sich zeitweise in ND du Cros befand, kann heute niemand mehr sagen. Der Abt Jaffus scheint sein Geheimnis mit ins Grab genommen zu haben. Dass Henry Boudet diese Legende kannte und vor Ort Nachforschungen betrieb, ist für mich jedoch so gut wie sicher. Er war Priester, er wurde von seinen Zeitgenossen als “Gelehrter” betrachtet, er beschäftigte sich ausgiebig mit alten Sprachen, Legenden und Archäologie …

Eine letzte, nicht weniger kuriose Legende erzählt von einem Feuer, das “am Dienstag, dem 30. Juni” aus dem Marmorsteinbruch kam und sich in “schwindelerregender Geschwindigkeit” seinen Weg zum Heiligtum bahnte. Es gab kaum Hoffnung, dass die Kapelle unversehrt bleiben würde. Doch am Mittwochmorgen blieb das Feuer auf wundersame Weise stehen – direkt vor dem Steinkreuz – dem “Cros” – das traditionell den Eingang zum Heiligtumshügel markiert.
Anmerkung: In den Jahren, in denen Henry Boudet sein Vikariat hier absolvierte, wurde das “Cros” durch eine Statue ersetzt. (Quelle: Sabina Marineo, Die verborgene Kirche des Grals)

Notre-Dame-du-Cros – Die Romanische Madonna
Im Kircheninneren fallen einem der prächtige rotgemaserte Marmor ins Auge, viele vergoldete Holzelemente und gemalte Leinwände – sowie die verschiedensten Marien-Darstellungen,
darunter auch die “wahre” Notre-Dame-du-Cros: eine kleine Romanische Madonna aus dem 12. Jahrhundert.

Hinweise für Wanderer und Bergsteiger:
In der Nähe von Notre-Dame-du-Cros befindet sich ein 16,6 Kilometer langer Rundweg. Er führt durch einen schönen Wald, vorbei an herrlichen Aussichtspunkten. Es gibt Wildblumen und auch Tiere lassen sich blicken. Aufgrund der Steigung und Distanz ist die Strecke jedoch als schwierig einzustufen. Die Route ist von März bis November zugänglich, Hunde sind erlaubt. Für passionierte Kletterer gibt es hier einen geologischen Canyon, eine felsige Schlucht und zum Klettern ausgestattete Felswände.

Vielen Dank für Ihr Interesse!




Normandie: Dieppe – seine Korsaren und Elfenbeinschnitzer

Dieppe – der Name und die Geschichte

Der Name Dieppe leitet sich aus dem angelsächsischen “deep” (tief) her, was die zwischen steilen Kreidefelsen eingebettete Lage beschreibt.
Die Stadt hat knapp 30 000 Einwohner und liegt im Département Seine-Maritime in der Region Normandie. Dieppe markiert den Beginn eines Küstenabschnitts, den man aufgrund der braungoldenen Farbtöne der Kreidefelsen, die sich hier auftürmen, “Côte d’Albâtre” nennt, die “Alabasterküste”.


Es waren die normannischen Könige Englands, die Dieppe zu einem wichtigen Hafen ausgebaut haben, womit diese Stadt, wie das bretonische Saint-Malo, zu einem Ausgangspunkt für Entdecker, Korsaren und reiche Handelsherren wurde.
Als ältestes Seebad an der Kanalküste konnte sich Dieppe zu allen Zeiten auch mit illustren Gästen schmücken: Wilhelm der Eroberer, Franz I., die beiden Kaiser Napoleon waren ebenso hier zu Gast wie die englischen Könige Johann Ohneland und Eduard VII. Erwähnt werden auch andere berühmte Zeitgenossen, z.B. Châteaubriand, Monet, Renoir, Pissarro, Oskar Wilde und Winston Churchill, die sich gerne in Dieppe sehen ließen.

Im Zweiten Weltkrieg (am 19.8.1942) versuchten die Alliierten Truppen am Strand von Dieppe zu landen. Die Stadt war zu diesem Zeitpunkt von deutschen Truppen besetzt. Fast Tausend Soldaten (darunter über 900 Kanadier) fielen, ungefähr 2000 kamen in deutsche Kriegsgefangenschaft.

Dieppe – und seine Korsaren

Im Jahr 1523 kaperte Jean Florin (oder Fleury), Kapitän der Seeräuberflotte des Reeders Jean Ango aus Dieppe, vor dem Kap Saint-Vincent eine Galeone, die den „Schatz des MOCTEZUMA“ nach Spanien brachte, den Cortez Karl V. schickte …”
“Ein anderer Hugenotte, Guillaume Le Testut, Mitglied der Kartographieschule in Dieppe, verbündete sich im März 1573 (oder 1572) mit dem berühmten englischen Kapitän Francis Drake. Sie bemächtigten sich eines beträchtlichen Gold- und Silbertransports aus Peru …”
(Thierry Durand-Gasselin)
Nun, vielleicht gibt es noch weitere spannende Geschichten um die Diepper Korsaren, wer weiß! 🙂

Fakt ist, dass von Dieppe aus, im 15. und 16. Jahrhundert, die Kapverdischen und die Kanarischen Inseln, Brasilien und Florida erfolgreich angesteuert, besiedelt und teilweise in Besitz genommen wurden.

Dieppe – und seine Elfenbeinschnitzer

Berühmt ist Dieppe auch für seine Arbeiten einheimischer Elfenbeinschnitzer vom 16. – 19. Jahrhundert.
Die Sammlung (Museum im Château de Dieppe) gilt weltweit als die wichtigste ihrer Art. Eines der wertvollsten Stücke ist ein Dreimaster, bei dem sogar die Segel aus Elfenbein geschnitzt sind. Der Ruf der Elfenbeinschnitzer von Dieppe war so legendär, dass ihnen fast alle Arbeiten am Hof Ludwigs XIV. übertragen wurden. Kein Wunder, dass bald das Gerücht umging, der Erfolg beruhe auf einem sorgsam gehüteten “Geheimverfahren zur Erweichung des harten Materials” vor der Bearbeitung. 🙂

Dieppe – die Kathedrale

Die Kathedrale Saint-Jacques wurde im 13. Jahrhundert, im gotischen Stil, an der Stelle einer der Heiligen Katharina geweihten romanischen Kapelle errichtet, die im Jahr 1195 während der Auseinandersetzungen zwischen Richard Löwenherz und Philippe-Auguste abbrannte. Saint-Jacques gilt heute als das “Herz” der Stadt. Von der alten Kapelle sind nur die Basen der Querschiffe und die beiden Portale erhalten geblieben, die allerdings durch Vorbauten stark verändert wurden.
Der Neubau dauerte bis ins 15. Jahrhundert, wurde von verschiedenen “See-Bruderschaften” unterstützt und mit dem 42 m hohen, dreigeschossigen herrlichen Südwestturm (Flamboyant-Stil, Foto unten) abgeschlossen. Der im großen Foto sichtbare Kuppelturm stammt aus dem 18. Jahrhundert.

Das untenstehende Gemälde “Die Kirche des Heiligen Jacques in Dieppe in der Morgensonne” stammt vom Maler Camille Jacob Pissarro. Er hat es im Jahr 1901 gemalt.

  • Gemälde Pissarro 1901
  • Ansicht der Kathedrale, Foto HLK aus 2012

Dieppe – der Strand
Mit einem Foto, das den berühmten Strand von Dieppe zeigt, schließe ich diesen Artikel. Danke für Ihr Interesse!


    Rouen in der Normandie – wo die Jungfrau von Orleans brannte!

    ” … Zu unseren Füßen lag die Stadt in einer kupferfarbenen Wolke, deren von der Sonne verbrämte Ränder einen Funkenregen in roten Strahlen niederfallen ließen …” (Émile Zola)

    So beschreibt Émile Zola die Stadt Rouen nach dem Begräbnis des Romanciers Gustave Flaubert im Jahr 1880. Flaubert, der zum “Dreigestirn” der großen französischen realistischen Schriftsteller zählt (neben Stendhal und Balsac), ist hier in Rouen geboren. Neben anderen Texten seines Frühwerks entstand im Jahr 1836 die Novelle “Bibliomanie” (deutsch “Bücherwahn”), in der ein Buchhändler aus seiner Leidenschaft zu Büchern zum Mörder wird. Weltbekannt wurde Flaubert durch seinen Roman “Madame Bovary”.

    (Foto: Gustave Flaubert, Netz)

    Rouen, die einstige Hauptstadt der Normandie, ist einer der Anziehungspunkte auf der Reise durch das Land der Normannen. Die Wurzeln dieser Stadt liegen in römischer Zeit: Gegründet als “Rotomagus”, wahrscheinlich um das Jahr 50 n. Chr., wurde Rouen bereits um das Jahr 260 christianisiert und gleichzeitig Bischofssitz. Über die Zeit bis zur Plünderung durch die Dänen und Normannen im Jahr 841 liegt die weitere Geschichte im Dunkeln. Nach der Gründung des Herzogtums Normandie durch Rollo im Jahr 911 wurde Rouen, weil sich Rollo dort taufen ließ, zur Hauptstadt erhoben. Rollos Grablege befindet sich in der Kathedrale von Rouen:

    Rouen und die Kathedrale von Notre Dame
    Die Kathedrale von Rouen gilt als eine der großartigsten Bauten der französischen Gotik, bekannt durch den Maler Claude Monet (linkes Bild).

    Rouen und die Baugeschichte der Kathedrale:
    Ein am Ende des 4. Jh. von Bischof Victrice errichteter erster Steinbau, der bereits der Jungfrau Maria gewidmet war, wurde von den Normannen geplündert. Im Jahr 911 erfolgte eine Wiederherstellung, aber schon im Jahr 1000 leitete Robert, der Sohn Herzog Richards I., einen romanischen Neubau ein, der 1063 in Anwesenheit Herzog Wilhelms II. (des späteren Eroberers) geweiht wurde.
    Bereits hundert Jahre später wurde dieser durch einen gotischen Neubau ersetzt.
    Alle Fotos können durch Anklicken vergrößert werden!

    Rouen und das Herz von Richard Löwenherz
    In der Kathedrale von Rouen liegt auch das Herz des großen Richard Löwenherz begraben, der von 1189 bis zu seinem Tod im Jahr 1199 als Richard I., König von England war. Er starb im Alter von nur 41 Jahren durch einen Bolzen der von der Kirche geächteten Armbrust.
    Sein restlicher Körper fand in der Abtei Fontrevault im Anjou seine letzte Ruhe.

    Rouen und die Große Uhr:
    Beim Rundgang durch Rouen mit seinen malerischen Fachwerkhäusern trifft man in der Rue du Gros-Horloge ein markantes Haus mit Torbogen (früheres Stadttor). Es wurde um 1530 erbaut. “Le Gros-Horloge” – wie die farbenprächtige große Uhr aus dem Jahr 1389 genannt wird, weist eine Besonderheit auf: Sie zeigt mit nur einem Zeiger an, was die Stunde geschlagen hat.
    Mythologische Figuren stellen die Wochentage dar, die sich um das Ziffernblatt drehen. Oberhalb des Ziffernblattes sieht man den Mond und seine Phasen.

    Rouen zu Fuß …

    Der Pestfriedhof von Rouen

    Rouen hat jedoch mehr zu bieten als Beschaulichkeit und malerische Fachwerkhäuser: Es gibt mindestens zwei makabre Orte in dieser schönen Stadt an der Seine: Da ist zum einen das Aître Saint-Maclou – der alte Pestfriedhof, in dem sich heute jedoch eine Kunsthochschule befindet.
    Schön makaber ist dieser Platz trotzdem!

    Die Hinrichtungsstätte der Jeanne d’Arc

    Auf dem Place du Vieux-Marché, dem Platz der traditionellen Hinrichtungsstätte, musste auch Jeanne d’Arc am 30. Mai 1431 ihr Leben auf dem Scheiterhaufen lassen. Jeanne, die von Voltaire als “Jungfrau von Orleans” bezeichnete Heldin des ausgehenden Hundertjährigen Krieges, wurde 1412 in Lothringen als Tochter einfacher Landleute geboren. Der Legende nach vernahm sie als Jugendliche Stimmen, die ihr die Befreiung Frankreichs von den Engländern auftrugen. Die weitere Geschichte ist bekannt. 1456 erfolgte ihre Rehabilitierung. 1920 wurde sie von der katholischen Kirche kanonisiert. Bis heute gilt sie als Symbolfigur des französischen Nationalismus.
    Neben der Hinrichtungstätte wurde im Jahr 1979 eine moderne Kirche errichtet (Sainte-Jeanne-d’Arc), die einem umgekehrten Boot ähnelt.

    Lassen Sie mich diesen Artikel schließen mit einem Zitat des berühmten Sohnes der Stadt, Gustave Flaubert, aus seinem Werk “Bibliomania”:

    “Einen einzigen Gedanken hatte er, eine einzige Liebe, eine einzige Leidenschaft: die Bücher!
    Und diese Liebe, diese Leidenschaft verbrannten sein Inneres, verdarben sein Leben, verschlangen sein Dasein.”

    Quelle: //beruhmte-zitate.de/autoren/gustave-flaubert/