Den Toten vom Montségur einen Namen geben …

“Es gab im Katharismus etwas,
das auf dem Scheiterhaufen nicht verbrannt ist.”

(Jean Duvernoy, franz. Historiker)

… denn erst Namen geben der Geschichte ein Gesicht!

Seit einigen Jahren versuche ich die Namen der 225 Katharer herauszufinden, die am 16. März 1244, am Fuße des Montségur, auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden:

Einige Namen konnte ich ausfindig machen, die anderen sind vermutlich auf ewig vergessen …

Bertrand d’ Marty (Katharerbischof)
Pierre Sirven (Katharer-Diakon)
Raymond Agulher (Katharerbischof)
Name ? ……. (Katharerbischof des Razès)
Guillaume Déjean (Katharer-Diakon)
Raymond de Saint-Martin (Katharer-Diakon)
Rixende du Teilh (Perfekte und Priorin des Montségur)
Guiraude de Caraman (Parfaite)
Corba, Gattin von Raymond de Pereille
Esclarmonde, Tochter von Raymond de Pereille (Verteidiger der Burg), zugleich Gattin ? von Pierre Roger de Mirepoix (Verteidiger der Burg) = eingeheiratet in das Haus Belissen!
Philippa, Tochter von Raymond de Pereille
Marquesa de Lantar, Schwiegermutter von Raymond de Pereille
Saissa de Congost, Nichte von Raymond de Pereille
Braida de Montserver, Schwiegermutter von Roger de Mirepoix
Bruna und India de Lahille, Schwester und Cousine von Guillaume de Lahille
Raymonde de Cuq, Schwester/Schwägerin von Bérenger de Lavelanet.
Braida de Montservat, Guillelme Aicart.

Die Ritter Arnaud des Cassès, Guillaume de Lahille, Raymond de Marceille, Brézilhac de Cailhavel, Bernard de Saint-Martin,
sowie der Knappe Ramonds de Marceille Guilaume Narbona,
der Armbrustschütze Raymond de Belvis,
sechs weitere Sergeanten, zwei davon mit ihren Frauen,

ein Händler aus Mirepoix,
zwei Verbindungsmänner, darunter Jean Rey.

Der katharische Ritter Jourdain du Mas nahm an der Expedition nach Avignonet teil und fiel bei der Verteidigung von Montségur;
ebenso wurden auf dem Montségur tödlich verwundet:
Der junge Ritter Jourdain du Mas, genannt Jordanet,
der Enkel der Perfekten Garsende,
der Sergeant Bernard Rouain
und der Ritter Bertrand de Bardenac.
Ebenso soll ein Sohn der Poncia du Villar unter den Attentätern gewesen sein: Jourdain de Villar,
sowie die Sergeanten Bernard de Carcassonne und Arnaud de Bensa.

Man weiß durch die Zeugenaussage des Béranger de Lavelanet vor der Inquisition, dass ein Pierre de Saint-Just von Rennes-le-Chateau vier Jahre auf dem Montségur lebte. Ob er dort starb, ist nicht bekannt.
Zwei Frauen aus Mas-Saintes-Puelles (Gersande und ihre Tochter Gaillarde) starben ebenfalls auf dem Scheiterhaufen  im Jahr 1244.
Im Jahr 1235 zog sich Bernard Sermon d`Albedun oder Albezunum (vom Bezú) auf den Montségur zurück. Ob er 1244 überlebte ist unbekannt.

Eine Parfaite, Alazais Raseire, wurde in ihr Heimatdorf Bram gebracht und dort verbrannt.

(Quellen hierzu: u.a. die Déposition de Béranger de Lavelanet auprés des inquisiteurs – also die DOAT-Quellen; siehe auch Scripta secreta – Geheime Schriften.)

Der Montségur – die Synagoge Satans

Südfrankreich … hat nicht nur Sonne, Meer und Strände zu bieten, sondern auch Berge, Wälder und tiefe Felsenschluchten.
Es ist ein Land der Kontraste: Da gibt es die wildromantische Garrigue mit ihren knorrigen Zwergeichen und dem unvergleichlichen Duft nach Ginster, Rosmarin, Thymian und  Wacholder. Dann die Zistrosen, weiß oder rosafarben. Hier kann man viele Stunden wandern, ohne einem Menschen zu begegnen oder ein Haus zu entdecken. Allenfalls trifft man auf ein paar grasende Esel, wie man sie auch im Mittelalter, vermutlich schwerbeladen, auf dem Saumpfad hinauf zum Montségur hätte finden können …

Kaum eine Geschichte aus dem Hochmittelalter hat die Menschen so bewegt, wie der Fall des Montségur – des heiligen Berges der Katharer, von Rom als die “Synagoge des Satans” bezeichnet.

Der einzige Aufstieg zur Burg war seinerzeit nur über einen gefährlichen Grat möglich …

Auszug aus meinem Roman “Alix: Das Schicksalsrad” (S. 351):

“Als sie am zweiten Tag ihrer Reise aus dem dunklen Wald von Serralongue herauskamen, tauchte unvermittelt der Montségur vor ihnen auf.
´Seht nur, da vorne – das ist er! Dass ich das erleben darf!`, rief Bischof Simorre, der sie begleitete.
Alix zügelte ihren Rappen und reckte ebenfalls neugierig den Hals. Auf ihrem Weg hierher waren sie an etlichen Burgen vorübergeritten, hoch oben an den Fels geklammert, doch das Schauspiel, das jetzt vor ihnen lag, konnte mit nichts verglichen werden. Der Berg selbst war eigenartig: wild und kühn. Die neue Burg jedoch, errichtet von Menschen, die einem brennenden Glauben anhingen, war grandios. Sie lag in der vollen Mittagssonne, schwebte aber zugleich auf einer weißen Nebelbank, die den Pog umschmeichelte. Ein verlockendes Luftschloss, unwirklich, ätherisch …
Noch während sie alle über das seltene Naturschauspiel staunten, kamen die Männer des Burgherrn angeritten, um sie sicher hinaufzugeleiten.”

Der “Sichere Berg” der Katharer …

Der “sichere Berg” der ehemaligen Katharer befindet sich etwa 30 km von Foix entfernt, auf 1216 Meter Höhe. Die Besiedelung geht bis in die Jungsteinzeit zurück. Die Grundfläche der Burg, die von einer gewaltigen Ringmauer geschützt wurde, betrug zu Katharerzeiten ungefähr 700 qm. Es existierte ein mächtiger Bergfried. Auf der Nordseite des Berges wurden für die Verfolgten zusätzlich kleine Hütten errichtet. Die Burg wurde nach langer Belagerung im März 1244 den Franzosen übergeben.

Vierzig Jahre Montségur

Der französische Autor Michel Roquebert* bezieht sich auf die Primärquellen, die von mehr als tausend Personen berichten, die sich zwischen der ersten Gründung der Burg und der Eroberung des Montségur dort aufhielten.
Es handelt sich um eine Zeitspanne von ungefähr 40 Jahren.

Montségur heute:
Das Dorf liegt unterhalb der Burgruine

Das Zusammenleben auf dem Montségur im Mittelalter

Michel Roquebert * schreibt darüber folgendes:

“Die Aufgaben des Gemeinschaftslebens sind auf die verschiedenen Gruppen verteilt. Das castrum hat einen Portier, den Sergeanten Guillaume Gironda. Es gibt einen Müller, den aus Moissac gebürtigen Perfectus Pons Ais, und eine Bäckerin, die Perfecta Guillelme Marty aus Montferrier. Wir wissen, dass die Perfecti und Perfectae (Anmerk. geweihte Männer und Frauen) zum Arbeiten verpflichtet sind. Bei den Frauen gibt es Nähstuben. Die eine stellt unter der Leitung von Marguésia Hunaud de Lanta Frauenkleidung her – Schleier, Hemden, Handschuhe -, eine andere Beinkleider für die Männer. Die Perfecti verfügen über eine Schneiderei, die für die Soldaten Waffenröcke näht – d.h. gesteppte, dick gepolsterte Mäntel. Ein Perfectus, von Beruf Täschner, fertigt auch Schuhe an. Wieder ein anderer ist Barbier.”

Für die Zeitspanne der Belagerung sprechen die Quellen von mindestens 361 Personen, darunter 150 Laien – worunter sich auch die Mitglieder der Garnison befanden.
Allein 29 Personen zählten zur Familie der verantwortlichen Verteidiger des Montségur – es handelt sich um die Feudalherren Ramon de Pereille und Pierre-Roger de Mirepoix (sie waren für die Verwaltung, Verpflegung und die Sicherheit zuständig).
Die religiöse Führung des Montségur übernahm nach dem Tod des berühmten Katharerbischofs Guilhabert de Castres der Katharerbischof des Toulousain, Bertrand Marty (ab ca. 1240).

Auf Seiten der Belagerer zeichneten verantwortlich:
Hugues d`Arcis (der neue Seneschall von Carcassonne) – er wird später die Burg im Namen des Königs von Frankreich in Besitz nehmen -, der Bischof von Albi, der Inquisitor Ferrier und der Erzbischof von Narbonne, Pierre Amiel, der die Katharer 1244 vor die Entscheidung stellte, abzuschwören oder zu brennen. Quellen besagen, zehntausend Mann hätten seinerzeit den Berg belagert; doch ist die tatsächliche Stärke mittelalterlicher Heere schwer zu schätzen. Viele Chronisten dieser Zeit neigten zu Übertreibungen.

Zur Verpflegung der Burginsassen und der Siedlung an Abhang des Montségurs schreibt Roquebert:
“Abgesehen vom Fischfang, dem die Perfecti* im Lasset nachgehen konnten, lebte Montségur, das kein Ackerland besaß, seit 40 Jahren vom Handel mit den Bauern aus den Dörfern der Umgebung … Entgegen dem strikten Verbot der Kirche verkauften diese den Montségurern Wein, Getreide, Öl, Salz, Gemüse und andere Nahrungsmittel.”
(Perfekti=Katharische Vollkommene)

Die Eroberung der Burg Montségur

Kurz vor der Aufgabe der Burg: (aus “Esclarmonde: Die Ketzerin vom Montségur): ” … Die Wurfmaschine des Bischofs tut ihre Wirkung. Unablässig fliegen die Steinkugeln. Wumm … Die Situation für die Bewohner der Burg ist unerträglich geworden. Verrat liegt in der Luft! Die Zisternen hat jemand mit toten Ratten verseucht. Zu verführerisch waren die Versprechungen des Narbonners. Und der Wein – das einzige Getränk, das ihnen da oben bleibt – fängt an, in den Fässern zu gefrieren. So kalt ist jener Winter. Die Herren der Burg, Raymond de Pereille, Pierre-Roger de Mirepoix und der Bischof der Katharer, Bertrand d` en Marti, kommen an einem klirrenden Morgen mit der Friedensfahne den Berg herab. Sie wollen verhandeln. Sie bieten an, unter gewissen Voraussetzungen den Drachenkopf aufzugeben …”

Ein faires Angebot oder Heuchelei?

Die Belagerer – Hugues des Arcis und der Erzbischof von Narbonne bieten den Katharern einen zweiwöchigen Waffenstillstand bis zur endgültigen Übergabe an. “Allen Katharern, die sich bekehren lassen”, hieß es, “allen Faidits” (Widerstandskämpfern aus dem Kleinadel) und Soldaten … bieten wir freien Abzug. Samt Waffen und Gepäck können sie von dannen ziehen!”
Es war jedoch der letzte Satz jenes ausgehandelten Vertrages, der jedermann klarmachte, wie die Geschichte unweigerlich zu Ende gehen würde. Dieser lautete: “Die Unbelehrbaren aber, die noch immer dem falschen Glauben die Treue halten, müssen auf dem Scheiterhaufen brennen!”
Der Erzbischof von Narbonne kannte längst die Unbeugsamkeit der Katharer.  Was er vermutlich nicht ahnte, war, dass 21 Männer – Verteidiger, Ritter, einfache Sergeanten und Knappen -, ebenfalls um die Geistweihe baten, um gemeinsam mit den Katharern zu sterben. Niemand war bereit, zum Katholizismus zurückzukehren.

M. Roquebert schreibt dazu: “Es gab weder ein Tribunal noch einen Prozess noch einen Urteilsspruch. Hugues d` Arcis und Pierre Amiel waren – der eine im Namen des Königs, der andere im Namen der Kirche – spontan zu den Scheiterhaufen des Kreuzzugs zurückgekehrt. Es war wie in den finsteren Tagen, als Simon de Montfort und Arnaud Amaury gemeinsam ´mit großer Freude` massenhafte Verbrennungen anordneten.”

Hohe, dicke Holzpfähle umgeben den Scheiterhaufen. Eine Leiter zum Hinaufsteigen wird angelehnt. Am 16. März 1244 ist es soweit: Hell lodern die Flammen, und der Schnee fängt an zu schmelzen …
Die Verbrennung der über zweihundert Katharer, die sich nach der Überlieferung singend ins Feuer stürzten, hat bis heute tiefe Spuren im Bewusstsein der Menschen hinterlassen. Am “Prat dels Cremats” (Feld der Verbrannten) wurde im Jahr 1960 eine Gedenkstele mit folgender Inschrift errichtet:

“Als Catars, als martirs del pur amor crestian” – “Den Katharern, den Märtyrern der reinen christlichen Liebe”

 

Am Fuße der Stele, dort wo einst der Scheiterhaufen stand, werden noch heute regelmäßig Blumen niedergelegt.
Manche Leute legen auch einen kleinen Stein nieder …

* Michel Roquebert, französischer Historiker und Autor: “L´ Epopée cathare” bzw. “Die Geschichte der Katharer”, Philipp reclam jun., Stuttgart 2012

Lesetipp: Mein “Montségur-Roman” steht zeitlich gesehen an der 3. Stelle meiner Historischen Romane: ESCLARMONDE – Die Ketzerin vom Montségur.

Wie es zum Kreuzzug gegen die Katharer kam und wie alles endete, erfahren Sie auf den nachstehenden Seiten
z.B. Zeittafel zur Geschichte, Teil 1
oder Zeittafel der Geschichte, Teil 2,
Empfehlenswert auch: Ein Streifzug durch die Katharerzeit.
Der Kampf um Toulouse: “Ai Tolosa,1”, und “Ai Tolosa 2”.
Die Geheimen Schriften, Scripta secreta
Die Katharer und ihr Glaube an die beste aller Welten”
Alles über den Kampf um den Montségur
Finale am Montségur
“Ein ketzerisch Lied”
Zu meinen Historischen Romanen

Neuauflage HISTORISCHE Romane
(Katharer-Romane) 2018/2019

Hervorgehoben

 Zu “Alix – Das Schicksalsrad”
Ein pralles Sittengemälde aus dem Mittelalter, eine Geschichte um Liebe und Leidenschaft, Ehre und Verrat, religiösen Fanatismus, Geldgier und Macht. Ca. 550 Printseiten, Leseprobe hier!

Zu “Sancha – Das Tor der Myrrhe”
Der Hof von Toulouse – im 12. Jahrhundert eine der zivilisiertesten Stätten des Abendlandes – ist in Gefahr. Ein packendes Katharer-Epos vor dem Hintergrund verbürgter Geschichte. Ca. 600 Printseiten,  Leseprobe hier!

Zu “Esclarmonde – Die Ketzerin vom Montségur”
Ein Kreuzritterheer zieht im 13. Jahrhundert im Namen des Papstes seine blutige Spur durch Südfrankreich. Ein farbenprächtiger Roman um den Mythos der Katharer und des Heiligen Grals. 416 Seiten, Leseprobe hier!

Zu “Rixende – Die Geheimen Worte”
Südfrankreich im Jahre 1299 – zwischen Liebe und Inquisition. “Herrlicher Lesestoff. Helene Luise Köppel spürt den Pulsschlag eines entfernten Jahrhunderts auf.” (Volkszeitung Schweinfurt), 520 Seiten, Leseprobe hier!

ZU “Béatris – Kronzeugin der Inquisition”
Nach einer wahren Geschichte, die sich im 14. Jh. in einem abgelegenen Winkel der Pyrenäen zutrug. 306 Seiten, Leseprobe hier!

Zu “Marie – Die Erbin des Grals”
Am Rande der Pyrenäen ruht der Gralsschatz. Helene Luise Köppel hat einen faszinierenden Roman um eines der tiefsten Geheimnisse des Abendlandes geschrieben. Ca. 450 Seiten, Leseprobe hier!

Neu hinzugekommen ist im August 2017 mein Roman “Béatris: Kronzeugin der Inquisition”.
Er bildet den Abschluss meiner Katharer-Reihe (jetzt 6 Bände).

DIE NEUAUFLAGE 2017/2018 ist als Taschenbuch im Buchhandel/und oder bei Amazon erhältlich. E-book und Kindle Unlimited nur bei Amazon.

 

Viel Vergnügen beim Lesen wünscht

Helene L. Köppel

My fantasy is my castle