Lugdunum Convenarum: Das Höhendorf Saint-Bertrand-de-Comminges

Das Höhendorf Saint-Bertrand-de-Comminges (ungefähr 240 Einwohner) liegt in Südwestfrankreich, im Département Haute-Garonne der Region Okzitanien (60 km von Toulouse entfernt) – und zugleich am Jakobsweg. Gegründet vom römischen Feldherrn Gnaeus Pompeius Magnus blickt dieser malerische und meist stille Ort auf eine reiche und hochinteressante Geschichte zurück.

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Zur Geschichte des Ortes

Im Jahr 72 vor Christus gründete der römische Feldherr Gnaeus Pompeius Magnus (106-48) inmitten der herrlichen Landschaft der Vor-Pyrenäen eine römische Siedlung, genannt Lugdunum Convenarum. (Siedlung des Gottes Lugh der Konvener*) Der Plan der Römer war, das Val d´Aran (das Aran-Tal) über eine Straße in den Nordwesten Spaniens zu führen, um die Iberische Halbinsel zu schützen. Lugdunum Convenarum soll in seiner Blütezeit 10 000 Menschen, mit Umland 30 000 – 60 000 Menschen beherbergt haben.
Ganz oben auf dem Hügel – wo heute die Kathedrale Notre Dame steht – befand sich der Tempel, der dem ersten römischen Kaiser Augustus geweiht war.
Der Archäologe Prof. Simon Esmonde Cleary hat Ausgrabungen in Saint-Bertrand-de-Comminges durchgeführt und dabei Reste des Fundaments entdeckt: Der Tempel bestand aus einer Cella (Raum der Gottheit), vor dem sich ein breiter Portalvorbau mit sechs Fassadensäulen befand. Bis ins 4. Jh hinein wurde hier der offiziellen römischen Religion gehuldigt. Danach ging es mit dem Ort rapide bergab:
Im Jahr 408 n. Chr. plünderten die Vandalen Lugdunum Convenarum.

Im März 585 wurde die alte römische Stadt Opfer einer merowingischen Erbfolgekrise – in der Gundowald (angeblich natürlicher Sohn Chlodwigs des Frankenkönigs) dem Ansturm der Burgunden unter König Guntram I. erlag. Die Bewohner wurden massakriert und die Stadt war für mehrere Jahrhunderte verwüstet.
Erst im Jahr 1083 erwachte der Ort wieder zum Leben, als der hochgebildete und zugleich ritterliche Bertrand de I´IsleJourdain* (seit 1073 geistlicher Hirte des Comminges) hier einen neuen Bischofssitz etablierte, die Oberstadt wieder aufbauen und eine 35 m lange romanische Kathedrale errichten ließ. Er brachte den unterdrückten Bauern im Aran-Tal Hilfe und bot zugleich dem erpresserischen Kleinadel die Stirn. Bertrands Maxime war, dass jedem, wer er auch sei, sein Recht gebühre. Er starb im Jahr 1123. Als er 1222 heiliggesprochen wurde, nahm die Stadt ihm zu Ehren den Namen Saint-Bertrand de Comminges an und wurde fortan zu einem wichtigen Wallfahrtsort, zu dem die Pilger in langen Schlangen den Berg hinaufstiegen.

  • Durch seine Mutter war Bertrand ein Enkel von Wilhelm III., Graf von Toulouse, und Vetter von Wilhelm IV. und Raimond IV. von Saint-Gilles.

Lugh „der Leuchtende“ oder „der Krieger“, eine Gottheit aus dem mythologischen Zyklus der Kelten. Städtenamen wie “Lugdunum” beziehen sich jedoch immer auf den Namen Lugos: Krieger. Die Gallier bezeichneten auch den als Orakel geltenden Raben als Lugos.

Relief eines dreigesichtigen Lugh (Foto aus dem Netz)

Das Forum von Lugdunum Convenarum war einer der größten des römischen Abendlandes!
Der Grund für die seinerzeitige Militärpräsenz (500 Soldaten) ist bis heute unbekannt.

Ein Blick auf die Ausgrabungen unterhalb des Hügels – die ehemaligen Römerthermen (Badeanlagen) des Forums. Das Forum war – der griechischen Agora entsprechend – der wichtigste Platz in einer römischen Stadt. (Foren waren mehr als “Marktplätze” im üblichen Sinn. Sie wurden auch für politische Kundgebungen und juristische Prozesse benutzt, die damals stets in der Öffentlichkeit stattfanden.)

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Lugdunum Convenarum – Verbannungsort des Herodes Antipas

Lugdunum Convenarum war, nach dem jüdisch-hellenistischen Historiker Flavius Josephus, der Verbannungsort des Herodes Antipas, Tetrarch in Galiläa.
(* um 20 v. Chr. in Judäa, † um 39 n. Chr. in Lugdunum Cenvenarum, Südgallien)

Zur Geschichte: Im Jahr 39 n. Chr. machte sich Herodes Antipas auf Betreiben seiner Frau Herodias* auf den Weg nach Rom, um von Caligula den Königstitel zu erhalten. Doch er hatte sich zu früh gefreut. Aufgrund von schweren Anklagen, die sein Neffe und Schwager Herodes Agrippa I. gegen ihn vorgebracht hatte, wurde er nach Südgallien in die Verbannung geschickt: Nach Lugdunum Convenarum, heute Saint-Bertrand-de-Comminges. Seine Frau Herodias – eine Tochter des jüdischen Prinzen Aristobulos – folgte ihm ins Exil, wo er auch starb; das genaue Todesdatum ist unbekannt. Im Anschluss an seinen Tod wurde sein Reich mit dem Gebiet des Herodes Agrippa vereinigt.

  • Bei einem Fest soll Herodes Antipas, entzückt über einen Schleiertanz seiner Stieftochter Salome, ihr einen Wunsch freigegeben haben. Nach der Bibel hat die Tochter der Herodias, angestachelt durch ihre Mutter, die Enthauptung Johannes des Täufers erbeten.

Die Kathedrale Notre Dame de Comminges

Trutzburgähnlich erhebt sich die Kathedrale Notre Dame mit ihrem markanten, stets von Dohlen umschwärmten Karreeturm über die Dächer der darunter liegenden Häuser.
Ein weiterer Bertrand, nämlich Bischof Bertrand de Goth – der spätere Papst Clemens V. (erster Papst in Avignon) – ließ Ende des 13. Jahrhunderts die Kathedrale erstmals vergrößern und zwar vom vierten Joch an im gotischen Stil. Umfangreiche Arbeiten, die erst von seinen Nachfolgern im Jahr 1352 beendet wurden.
Das Kirchenschiff wurde dann zu Beginn des 16. Jahrhundert ein weiteres Mal ausgebaut.

Das Portal mit der geheimnisvollen Inschrift: “Far, Miron et Aspron …”


Das Tympanon mit den Heiligen Drei Königen aus dem Morgenland, der Jungfrau Maria mit Kind und, rechts, dem Segen spendenden Bischof, stammt – wie auch der Turm – aus dem 11. Jahrhundert. Eine geheimnisvolle Inschrift lädt heute zum Schmunzeln ein. Es geht darin um die “wahren” Geschenke der Heiligen Drei Könige, nämlich FAR, MIRON und ASPRON!

Übersetzt: Weißes Mehl, Myrrhe und byzantinische Schlüsselmünzen aus dem 11. Jahrhundert! – also eine Art rückgreifender Anachronismus! 🙂
In den Arkadenbögen unterhalb stehen wie aufgereiht die Zwölf Apostel.

Die Kathedrale von Saint-Bertrand war eines der ersten Gebäude, die im Jahr 1840 von Prosper Mérimée* unter Denkmalschutz gestellt wurde. Seit 1998 gehören sie und die benachbarte kleine Kirche Saint-Just de Valcabrère zum UNESCO-Welterbe auf dem Jakobsweg.

  • Prosper Mérimée (Schriftsteller) wurde im Jahr 1831 zum Inspekteur der historischen Denkmäler Frankreichs ernannt, zur gleichen Zeit unternahm er ausgedehnte Reisen in französische Provinzen sowie nach Korsika, Italien, Spanien und Griechenland.

Der Kreuzgang – eine Symbiose aus Natur und Stein

Der romanische, unregelmäßig angelegte Kreuzgang bietet auf seiner Südseite einen herrlichen Ausblick auf die bewaldeten Berge. Auf den alten Kapitellen wimmelt es nur so von Darstellungen: Man entdeckt Adam und Eva (mit ihren streitbaren Söhnen Kain und Abel), Flechtwerke, Blüten, Ranken, Fabelwesen oder eine Eule mit ihrer Beute, ein Hahnenkampf und vieles andere mehr.
Einzigartig ist der sog. “Evangelistenpfeiler” – offenbar einer antiken Säulenstatue nachempfunden.

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Das Kircheninnere mit dem in Holz geschnitzten Lettner, dem Altar, der Orgel – und 66 phantasievoll geschnitzten Chorstühlen

Kurt Tucholsky, der auf dem Esel die Pyrenäen bereiste und Saint-Bertrand-de-Comminges besucht hat, schrieb über die Kathedrale später folgendes:

“Es ist eine alte Kirche mit einem verwitterten Portal. Innen steht ein Chor mit Holzstühlen und einer rechteckig herumlaufenden Holzwand. Es ist unfaßbar, was sie da gemacht haben. Es wimmelt von Figuren, Emblemen, Wappen, Köpfen, Körpern, Blumen und Gruppen. Keine Verzierung wiederholt sich auch nur einmal, alles ist bis ins letzte durchgearbeitet. … Es gibt da wilde Anhäufungen: indische Reminiszenzen; zwei Mönche, die sich um einen Bischofsstab streiten, sie haben Affenzüge und zerren am Stock, als ob sie sich damit sägen wollten, hervorragend unanständige Details; Apostel. Klappt man die Sitze hoch, so zeigt sich ein kleiner Untersitz, der aus einem Kopf besteht, und jeder Sitz hat seinen besonderen – es ist ganz erstaunlich. Adam und Eva sind zu sehen: man möchte die Konturen der Körper nachfühlen, so laufen die Linien. Ein Holzwunder, den Altar haben sie farbig zugerichtet; es soll zwanzigtausend Francs kosten, die Kolorierung und Vergoldung wieder abzukratzen….”

Ein Satz noch zu den “hervorragend unanständigen Details” (Tucholsky): 🙂
Es war angeblich dem ununterbrochenen Pilgerstrom geschuldet, dass im 16. Jahrhundert der damalige Bischof von Comminges, Jean de Mauléon, diesen prachtvollen Holz-Chor errichten ließ, der die Kanoniker streng vom Pilgervolk trennte. Man blieb wohl lieber unter sich! 🙂

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Der Altar du Saint-Sacrament – die Gegenstände des Allerheiligsten:
Schaubrote, Bundeslade, Menora, Opferaltar …
Dieses Kunstwerk wurde im Jahr 1621 durch Bischof Gilles de Souvre (Ritter des Ordens du Saint-Esprit) in Auftrag gegeben.

Cagotentür, Grüne Männer (Blattmasken) und ein stattliches Krokodil

Es waren tatsächlich echte Krokodile, die Kreuzzügler von ihren Reisen mitbrachten und sie als Votivgabe in den Kirchen aufhängen ließen, z.B. als Dank für die gesunde Heimkehr oder eine Errettung aus großer Not. Der Volksmund in Comminges hat sich seine Krokodil-Geschichte jedoch selbst gebastelt: Der Legende nach lebte in einem benachbarten Tal ein Monster*, das den Schrei von Kindern nachahmte, um diese anzulocken und zu verschlingen. Der Heilige Bertrand jedoch soll es mit seinem Bischofsstab niedergerungen haben. Es sei ihm noch bis in die Kathedrale gefolgt, dort jedoch verstorben.

  • Eine Geschichte, die an die Legende von der Zähmung der Tarasque durch die Heilige Martha erinnert.

Anmerkungen und weiterführende Links zum Anklicken:
In der
Eremitage/Collioure sind gleich zwei dieser Krokodile zu finden.
Näheres zum Thema Cagoten: s. mein Roman “Talmi”
Näheres zum
“Grünen Mann” s. mein Artikel hierzu.

Abschließend noch ein weiterer kleiner Bummel durch die malerischen Gassen von Saint-Betrand-de-Comminges …

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Übrigens: Saint-Bertrand-de-Comminges ist einer der Romanschauplätze in meinem Thriller “Blut.Rote.Rosen”.

Magische Orte in der Umgebung und Veranstaltungen

  • Auf dem Vorplatz der Kathedrale beherbergt das ehemalige Olivetan-Kloster ein Archäologiemuseum und Ausstellungen zeitgenössischer Kunst.
  • Das 1975 gegründete Festival von Comminges rund um die Orgel der Kathedrale ist zu einem unumgänglichen Ereignis in der Region Midi-Pyrénées geworden. Jedes Jahr im August und September finden rund 20 Konzerte statt, die der geistlichen Musik (Orgel, Klavier, Kammermusik) gewidmet sind. Führende Komponisten und junge Musiker kommen zusammen, um an einem symbolträchtigen Ort Originalkompositionen zu erarbeiten und die Kultur in einer ländlichen Region lebendig zu halten.
  • Saint-Just de Valcabrère – ein sehenswertes Totenkirchlein ganz in der Nähe.

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Versteckte Schätze: Taurinya – ein Abstecher zum (Mino-)Taurus”?

Nach meiner Besichtigung der Abtei Saint-Michel-de-Cuxa (im Jahr 2013) entschloss ich mich, mich vor der Rückfahrt nach Prades noch rasch im benachbarten Weiler Taurinya umzusehen (Département Pyrénées-Orientales in der Region Okzitanien, 5 km südlich von Prades).
Es war allein der Ortsname “Taurinya”, der mich neugierig machte. Ich fragte mich, ob dieser Ort eventuell in irgendeiner Beziehung zu einem Stier steht. (Taurus – Minotaurus*)
Mein erster Weg führte mich zur Kirche: Saint-Fructueux de Taurinya, die jedoch leider abgeschlossen war. Weit und breit niemand in Sicht.
Beim Umrunden der Kirche jedoch, bei dem ich (unbefugterweise, sorry!) kurz den Garten betrat, um wenigstens den Glockenturm ablichten zu können, stutzte ich. Da war doch was Auffälliges auf dem Kapitell zwischen den Zwillingsfenstern! Ich zoomte das Bild heran und entdeckte darauf – zu meiner freudigen Überraschung – tatsächlich jenen Stier, der diesem Ort seinen Namen gab!
Wenig später entdeckte ich auch noch am Ortsbrunnen einen prachtvollen Stierkopf, der allerdings sichtlich neueren Datums war.

* Der Minotauros (auch Minotaurus) ist eine Gestalt der griechischen Mythologie: ein Wesen mit menschlichem Körper und Stierkopf.

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Wieder daheim, machte ich mich im Netz auf die Suche nach Taurinya und die Kirche mit dem seltsamen Namen “Saint-Fructueux”: Ich fand heraus, dass dieses Gotteshaus aus dem 12. Jahrhundert stammt, später jedoch mehrmals umgebaut wurde. (Verlängerung des Hauptschiffes + 2 schmale Seitenschiffe). Der quadratische Turm wurde Ende des 12. Jahrhunderts erbaut. Er ist 18 Meter hoch. Auf der zweiten und dritten Etage gibt es, wie man sehen kann, offene Fensterdurchbrüche. Die Kapitelle sind mit Pflanzen- und zoomorphischen- (tierähnlichen) Motiven) versehen – einschließlich jenes Stierkopfes, der auf den Namen des Ortes verweist. Voilà!
Benannt ist die Kirche nach dem Heiligen Fructueux von Tarragona, ( + 259 n. Chr.). Der ehemalige Bischof von Tarragona* gilt heute als einer der ältesten dokumentierten Märtyrer auf der Iberischen Halbinsel. Mit ihm wurden, auf Befehl von Kaiser Valerian (253-260 n. Chr.), auch seine beiden Diakone gefangen genommen und zur Verbrennung auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Die Vollstreckung erfolgte übrigens im Amphitheater von Tarragona (s. Foto unten). Es heißt, die drei Märtyrer seien nach ihrem Tod – gekrönt und in liturgischen Gewändern! – der dortigen christlichen Gemeinde und auch ihren Henkern erschienen, um ihnen Anweisungen für ihre Beerdigung zu geben. Gruselige Vorstellung!

* Tarragona ist die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im Süden der spanischen autonomen Region Katalonien.


Magische Orte in der Umgebung: Boule d’Amont, Belpuig, Ille-sur-TêtPrieuré de Serrabone, Saint-Michel-de-Cuxa,

Das einstige Jupiter-Heiligtum von Sant Ferriol

Sant Ferriol ist ein kleines Dorf in der Provinz Girona und der Autonomiegemeinschaft von Katalonien, Spanien.
Ich hatte gelesen, dass es hier, auf einem der umliegenden Berge (sieben Kilometer bergauf in engen Serpentinen!), nicht nur eine verwunschene alte Einsiedelei, sondern auch einen alten römischen Kultplatz geben soll.
(Das Santuario de Sant Ferriol wurde später zu einem der Schauplätze in meinem Roman Salamandra.)

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Der Heilige Ferriol

In der kleinen Wallfahrtskirche wird der Heilige Ferriol verehrt, der mit seinem Schwert und seiner Bekleidung einen römisch-martialischen Eindruck macht – und die Spenden seiner Besucher auch gleich selbst einsammelt.
Bei diesem Heiligen handelt es sich um Ferreolus von Uzès (520 – 581 n. Chr.). Ferreolus war von 553 bis 581 Bischof von Uzèz*. Als Bischof gründete er das Kloster Ferréolac und unternahm den Versuch, die Juden seiner Diözese zum Christentum zu bekehren. Das gute Verhältnis, das er zu den Juden Septimaniens** pflegte, führte jedoch zu seiner zwischenzeitlichen Absetzung durch Childebert I.*** Nach seiner Rückkehr ins Bischofsamt setzte Ferriol seine Bemühungen um die Christianisierung der Juden fort. Widerspenstige verwies er jedoch der Stadt.
Die Eltern des Heiligen stammten übrigens aus dem Umkreis der Merowinger, seine Mutter soll eine Tochter des Frankenkönigs Chlotar I. gewesen sein. Seine Schwester Tarsitia wird ebenfalls als Heilige verehrt.

*Uzès liegt ungefähr 40 km von Avignon entfernt (wo die Römerspuren noch allgegenwärtig sind).
** Septimanien war das einzige Gebiet in Gallien, das der fränkischen Eroberung nach der Schlacht bei Vouillé (507) standhielt.
*** Childebert I. war der viertälteste Sohn des merowingischen Frankenkönigs Chlodwig I., der dritte aus dessen Ehe mit Chrodechild. Bei der Reichsteilung von 511 erhielt er das Teilreich mit dem Königssitz Paris und regierte bis zu seinem Tod. (Quelle Wiki)

Die Suche nach dem ehemaligen Kultplatz der Römer

war leichter als befürchtet, denn der Platz, an dem einst ein Tempel des obersten römischen Gottes Jupiter stand, befand sich an der höchsten Stelle des Berges. Jupiter (deutsch seltener Jovis) ist der Name der obersten Gottheit der römischen Religion, der mit seinen Blitzen entweder strafte oder aber (der Feuerwagen des Phaeton) die Welt vor Unheil bewahrte.
Jupiter entspricht dem griechischen „Himmelsvater“ Zeus.

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Die versteckte Einsiedelei Sant Ferriol wurde bei meinem Besuch im Jahr 2014 von einer netten jungen Familie bewohnt und bewacht, nebst einigen schwarzen Eseln. Im Sommer ein Paradies, im Winter – oder bei schlechtem Wetter – schwer erreichbar, aufgrund der extrem steilen und unbefestigten Straße.


Abschließend noch eine Aufnahme von der herrlichen Umgebung, in der sich das hochgelegene Heiligtum befindet …

Vielen Dank für Ihr Interesse!

Wie aus CESAR AUGUSTO Zaragoza wurde …

ZARAGOZA/ SARAGOSSA (665 000 Einwohner) ist die Hauptstadt der spanischen autonomen Gemeinschaft Aragonien sowie der Provinz Saragossa. Die Stadt liegt am Mittellauf des Ebro in rund 200 m Höhe. Sie wurde zwischen 24 und 12 v. Chr. von den Römern unter dem Namen Colonia Caesaraugusta gegründet. Aus dieser Bezeichnung entstand der heutige Name: Zaragoza oder Saragossa.
Ab dem 8. Jh. zählte Zaragoza zum Kalifat von Cordoba; Anfang des 12. Jh. war sie für einige Jahre von den Almoraviden* besetzt, bis sie ab 1118 wieder zum christlichen Königreich Aragón gehörte.

Die Aljafería (Teil II.) ist der Stadtpalast von Zaragoza. Er hat einen grob quadratischen Grundriss und ist von Wehrmauern und einem Graben umgeben. Die ältesten Teile stammen aus der Zeit der maurischen Herrschaft (vor allem nach 1065); im Laufe der Jahrhunderte wurden mehrfach Teile hinzugefügt und verändert. Die letzten größeren Umbauten erfolgten im 19. Jahrhundert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden umfangreiche Freilegungen und Rekonstruktionen durchgeführt. Der herrliche Palast beherbergt heute ein Museum, einen in ehemaligen Kasernen untergebrachten Verwaltungstrakt sowie das aragonesische Regionalparlament.

* Die Almoraviden waren eine Berberdynastie in der Zeit von 1046 bis 1147, sie herrschten in Mauretanien, Westsahara, Marokko, Algerien, Portugal und Spanien (“Al-Andalus”)

Zaragoza – Hinterlassenschaften aus der Römerzeit

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Zaragoza – die Basílica del Pilar

Die Basílica del Pilar ist die größte Barockkirche Spaniens und zugleich die Kathedrale des Erzbistums Zaragoza. Hier wird die Jungfrau Maria auf einer silbernen Säule/ Pilar verehrt, wie sie angeblich dem Apostel Jakobus dem Älteren am 2. Januar des Jahres 40 n. Chr. erschien. Pilar ist zugleich die Schutzheilige des Nationalfeiertags in Spanien, der am 12. Oktober stattfindet. Um die kleine Säule herum ist die erste Kirche erbaut worden; sie diente quasi dem Schutz der Säule. Zahlreiche andere Kirchen folgten nach. Nach der Reconquista wurde unter König Alfons I. im Jahr 1118 eine romanische Kirche errichtet, die jedoch dreihundert Jahre später abbrannte. Danach wurde sie im gotischen Stil mit Mudéjar-Elementen* wieder aufgebaut.
Der heutige rechteckige Barockbau mit seinen vier Türmen entstand von 1681 bis 1754.

Bereits auf dem Fußweg vom Hotel zur Basílica vernahm man lautstark die frommen Pilgergesänge: “Santa Maria …” ertönte es selbst in der Fußgängerzone. Unter den Pilgern befanden sich auffallend viele Männer mit Pilgerstäben in den Händen, Blumen und Schildern.
Weil der Andrang der Gläubigen im Gotteshaus selbst gewaltig war – nahezu rund um die Uhr wird in der Basílica die Heilige Messe gefeiert – , und auch nicht geblitzt werden durfte, habe ich nur wenige Bilder vom Inneren der Kirche machen können. Die hochverehrte
Pilar abzulichten, war nahezu unmöglich. Aber ich konnte wenigstens, auf Zehenspitzen stehend, einen Blick auf sie werfen: Sie befand sich seitlich vom Altar, in der Nähe des Priesters, war winzig klein und in ein langes, goldbesticktes Gewand gehüllt, das auch die silberne Säule verhüllte.

* Mudejar-Elemente: Sammelbegriff vielfältig einsetzbarer Stilelemente maurischer Herkunft.

Zaragoza und der Maler Goya

Der Maler Francisco de Goya wurde am 30. März 1746 unweit von Zaragoza geboren. In dieser Stadt erhielt er seinen ersten bedeutenden Auftrag, eine Freskomalerei in der Basilíca El Pilar, der ihm in der Folge weitere Aufträge brachte. Ein Museum in Zaragoza zeigt etliche seiner Werke, ein Hotel ist nach ihm benannt, auf dem Vorplatz der Basilíca, rings um das große Wasserbecken, stehen oder sitzen einige seiner Bronze-Skulpturen, und dort stößt man auch auf das Denkmal, das die Stadt ihm errichtet hat.

Zaragoza – die herrliche Magdalenenkirche

Wer sich nach Zaragoza aufmacht, sollte es nicht versäumen, einen Blick auf die herrliche Magdalenenkirche zu werfen, selbst wenn, wie bei meinem Besuch, die Türen verschlossen sein sollten.
Bei diesem Bauwerk kommt der oben schon erwähnte maurische “Mudejar-Stil” voll zur Geltung!

Mit einigen weiteren Aufnahmen aus der kunstliebenden alten Stadt Zaragoza und vom zweitlängsten Fluss Spaniens, dem Ebro, schließe ich den 1. Teil meines Artikels über Zaragoza.
Im zweiten Teil stelle ich Ihnen die Aljafería vor, den prachtvollen Stadtpalast von Zaragoza aus der Maurenzeit – Schauplatz meines Historischen Romans “Sancha – Das Tor der Myrrhe”.

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Hier geht es zum 2. Teil meines Artikels über Zaragoza: Wie aus Tausendundeiner Nacht – der Aljaféria-Palast von Zaragoza”

Léon, die Römer, Alfonso der Edle und Königin Urraca

Die Kathedrale von Léon

Léon – und seine wechselhafte Geschichte

Léon liegt in Spanien, in der Autonomen Gemeinschaft Kastilien und Léon, am Rio Bemesga. Die Stadt hat ungefähr 120 000 Einwohner. Gegründet wurde sie im Jahr 68 n. Chr. von den Römern unter Kaiser Galba. Ihr Name Legio (Legio/León) existiert noch heute im Namen der Stadt, wo die Römer bis weit ins 3. Jahrhundert hinein ihr wichtigstes Standlager und eine große Thermenanlage betrieben. Dieses Lager, das sich in der heutigen Altadt befand, maß 570 x 350 m (Innenfläche ca. 20 ha), vergleichbar mit dem Legionslager von Straßburg). Es war während der frühen Kaiserzeit mit einer 1,80 m starken Mauer umgeben. Vor die antike Mauer, die noch heute in Teilen nachzuweisen ist, wurde später eine neue, 7 m breite Mauer gesetzt.
(Unter der Kathedrale von Léon wurden im Jahr 1884 alte Mauerreste und ein Mosaik mit Fisch- und Algendarstellungen entdeckt. Vier Jahre später fand man unter den Treppen am Hauptportal der Kathedrale die Reste dreier Hypokaustanlagen (römische Heißluftheizungen, die zuerst in Thermen, später auch in römischen Häusern eingebaut wurden).


Nach dem Ende des Römischen Reiches wurde Léon durch die Westgoten (Leovigild) erorbert, später, im Jahr 712, dann durch die Mauren.

Im 9. Jahrhundert erfolgte die Rückeroberung und Wiederbesiedlung der Stadt. König Ordono II. machte sie im Jahr 914 zur Hauptstadt seines gleichnamigen Königreichs; Alfons V., der Edle, der hier im Jahr 999 gekrönt wurde, erließ verschiedene Dekrete, wofür er den Beinamen “der mit den guten Rechten” erhielt. Er setzte die Besiedlung fort und machte Léon für mehr als 200 Jahre zur wichtigsten christlichen Stadt auf der Iberischen Halbinsel.
Die Königin Urraca (1080-1126) war die erste aus eigenem Geburtsrecht heraus herrschende Königin des mittelalterlichen Europas.

Im Mittelalter dann war Léon eine wichtige Station auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela und gelangte durch den Viehhandel zu Wohlstand.
Die gesamte Altstadt ist noch heute von mächtigen Mauern umgeben, die seit der Antike zur Verteidigung dienten und im 10. Jh., nach der Plünderung des Wesirs Al-Mansur (Kalifat von Córdoba) noch einmal verstärkt wurden.


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Léon – auf dem Weg zur Kathedrale

Die Kathedrale von Léon – ein Meer aus Licht und Farben

Die Baumeister der Kathedrale von Léon (Santa Maria de Regla) schufen hier ein Meisterwerk der Spanischen Gotik. Man orientierte sich an der Kathedrale von Reims (Einflüsse aber wohl auch aus der Pariser und Chartreser-Schule.) Der Bau aus goldfarbenem Sandstein steht auf der Stelle des ehemaligen Palastes aus dem 10. Jahrhundert. Er wurde in der Mitte des 13. Jahrhunderts begonnen und knapp hundert Jahre später vollendet. Das hohe, schmale Schiff (90 Meter Länge, 40 Meter Breite) ist mit riesigen Buntglasfenstern ausgestattet. Der Bau selbst hat den Grundriss eines lateinischen Kreuzes. Glanzpunkte sind die Fensterrosen und die 125 großen und 57 kleineren runden Fenster (Fabelwesen, Pflanzen- und biblische Motive, Pilgerszenen). Die großen Fenster jagten den Leuten aus Léon Angst ein; sie befürchteten die Kathedrale würde irgendwann einstürzen. Kardinal Angelo Roncalli, der spätere Papst Johannes XXIII., drückte es so aus: “Dieses Gebäude besitzt mehr Glas als Stein, mehr Licht als Glas und mehr Glauben als Licht.” 

Die Kathedrale von Léon – die Meisterwerke aus dem Mittelalter

Die Kathedrale von Léon – Altar und Figuren

Léon – das Chorgestühl (eines der ältesten Spaniens, 15. Jh.)

Léon – Die schlossartige Casa de Botines, erbaut von Antoni Gaudi

Lèon – Stadtbummel zurück zum Auto

Am Rande:
Zur Kathedrale gehört auch ein Museum, das Museo Catedralicio de León, in dem an die 1500 Kunstwerke von prähistorischen Zeiten bis zum 18. Jahrhundert ausgestellt sind. Die Sammlung beinhaltet unter anderem Gemälde und Skulpturen der Jungfrau Maria sowie einige historisch wertvolle Manuskripte.

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Magische Orte in der Umgebung – optimal für einen Tagesausflug mit dem Auto: (z.B. Römerspuren, die älteste Kirche Spaniens, und Kirchen aus der Zeit der Westgoten, Templer usw.)

Astorga
Ciudad Rodrigo
Merida
Penalba
Pino del Oro
Toledo
Toro 1
Toro 2
Zamora
Salamanca
Santa Maria Wamba
San Pedro de la Nave
San Juan Bautista de Baños
Segovia
Urueña
Verracos

Die Kathedrale von Chartres – “wo das Suchen zur Sucht wird”

– Einst ein vorchristlicher Kultplatz –

“Die Kathedrale von Chartres – wo das Suchen zur Sucht wird” – so beschreibt der Autor Louis Charpentier (1905-1979) diesen besonderen Anziehungspunkt, neunzig Kilometer südwestlich von Paris. Charpentier war ein Suchender, hat sich zeitlebens mit den Rätseln der Vergangenheit und mit verloren gegangenem Wissen beschäftigt. Fragen gestellt.
Die Kathedrale von Chartres ist unbestritten eine der geheimnisvollsten Kathedralen Frankreichs – und damit eine Herausforderung für Generationen. Mit ihrer Architektur, den leuchtenden Glasfenstern und den unvergleichbaren Gewändeskulpturen erinnert sie mich an einen nie enden wollenden Roman, der jedoch so spannend ist, dass man mit dem Lesen sowieso nicht aufhören kann. In jedem Kapitel, auf jeder Seite, die man aufschlägt, entdeckt man etwas Neues, das man bewundern, erforschen oder analysieren kann. So ist Chartres.
Ich selbst war dreimal vor Ort, stehe aber, das gebe ich gerne zu, noch immer am Anfang meiner Entdeckungen.

Neugierig darauf, wie frühere Menschen diese Kathedrale gesehen und beschrieben haben, stieß ich, neben Charpentier, auf den Bildhauer Auguste Rodin, der sie die “Akropolis Frankreichs” nannte, auf den Autor Joris-Karl Huysmans (1848-1907), der einen Roman über sie schrieb, und nicht zuletzt auf den Pariser Maler Jean-Baptist Camille Corot (1796-1875), der sie im Jahr 1830 wie nachstehend gemalt hat:

Chartres hat knapp 40 000 Einwohner und liegt auf einer weiten Ebene an einem Nebenfluss der Seine, der Eure. Die Kathedrale, Bischofssitz des Bistums Chartres, dominiert die Stadt. Das Bauwerk ist über 130 Meter lang und 64 Meter breit. Im Jahr 876 gewann der Ort an Bedeutung, als Karl der Kahle hier eine kleine Kirche weihte und ihr eine ganz besondere Reliquie übergab: Eine als “Sancta Camisia” bezeichnete Tunika, ein Hemd, das angeblich der Erzengel Gabriel der Jungfrau Maria überreichte, als er ihr die Geburt Jesu ankündigte. Diese heilige Reliquie sollte fortan wie ein Magnet die Pilgerscharen anziehen …

Die zwei hohen, ungleichen Türme der Kathedrale von Chartres prägen gewissermaßen die nordfranzösische Landschaft. Gleich, von welcher Straße aus man sich der Stadt nähert, springen sie einem ins Auge. Der gotische Neubau begann um 1194 und dauerte bis 1260. Die Kathedrale, die wir heute sehen, ist eine der wenigen nahezu unverfälschten Bauwerke dieser Epoche, denn sie überstand fast unzerstört den Bildersturm der Hugenotten und die Verwüstungen durch die Französische Revolution. Auch das macht sie einzigartig.
Im Jahr 1908 wurde die Kathedrale Notre-Dame de Chartres zur Basilica minor erhoben und im Jahr 1979 in das Register des Kulturerbes der UNESCO aufgenommen.

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Chartres – ein vorchristlicher Kultplatz

Es war keine Zufallsentscheidung, weshalb man gerade hier, auf einem Erdhügel, mitten im fruchtbaren Flachland, ein solches Bauwerk errichtet hat: Es handelte sich um einen uralten, vorchristlichen Kultplatz mit einer “wundertätigen” Quelle – ein großes Druidenheiligtum, das selbst in Caesars Bericht über den Gallischen Krieg (De bello gallico) Eingang fand.

Sogar jenseits des Rheins sollen die Kelten “von überall her” nach Chartres gepilgert sein, nachdem es sich herumsprochen hatte, dass die Druiden hier auch eine wundertätige “Virgo paritura” verehrten (eine junge Frau, die noch gebären wird), also vermutlich eine lokale Fruchtbarkeitsgöttin. Leider existiert diese Figur nicht mehr, man hat sie Ende des 18. Jahrhunderts aus der Krypta entfernt und vor dem Westportal der Kathedrale verbrannt.
Doch vielleicht sah sie der “Schwarzen Madonna von Dijon” ähnlich, eine der wenigen heute noch existierenden Madonnendarstellungen, die im Zustand der Schwangerschaft gezeigt werden.
Foto links: Schwarze Madonna von Dijon (virgo paritura), Website HLK.

Chartres – die christliche Baugeschichte

Ein erster christlicher Bau (heute Kathedrale des Aventius genannt), wurde Mitte des 4. Jahrhunderts zu Füßen der gallo-römischen Ringmauer errichtet. Um das Jahr 750 wurde dieser Bau von den Westgoten niedergebrannt. Einen Nachfolgebau zerstörten die Wikinger. Bischof Giselbert ließ ihn im 9. Jh. wieder aufbauen und erweitern.
Auf den berühmten Abt und späteren Bischof von Chartres, Fulbert, geht der Bau der 4. Kathedrale (nun Romanisch) zurück, inklusive der neu geschaffenen Krypta. Bei einem Brand im Jahr 1134, wurde die Westfassade zerstört.

In der Nacht vom 10. auf den 11. Juni 1194 zerstörte ein weiterer verheerender Brand die halbe Stadt, den Bischofspalast und auch große Teile der Kirche. Doch erneut verschonten die Flammen das seit dem 9. Jh. hier verwahrte Gewand der Muttergottes – eine der kostbarsten Marienreliquien. Der “Schleier Mariens” geht auf eine Schenkung der Kaiserin Irene von Konstantinopel zurück, die die Reliquie im Jahr 800 Karl dem Großen überreichte. Dessen Enkel, Karl der Kahle, stiftete sie dann im Jahr 876 der Kathedrale von Chartres. Heute existiert nur noch ein Stoffrest in der Größe von 30×30 cm.

Die Abbildung der “Sancta Camisia” auf der Kanzel (Foto oben) soll an die wundersame Rettung aus der Feuersbrunst erinnern – und vielleicht auch ein bisschen daran, dass das Hemd, aufgestellt auf der Stadtmauer, einst den Normannenherzog Rollo in die Flucht schlug.
Im Bereich zwischen nördlichem Querschiff und Chor befindet sich, hoch oben auf einer Säule eine weitere Madonnen-Statue aus dem 16. Jahrhundert: Notre Dame du Pilier; sie wurde 2013 restauriert.

Chartres – die “Schule von Chartres”

Von einer “Schule von Chartres” ist eigentlich erst seit dem 19. Jahrhundert die Rede. Hier ist zum einen die Domschule gemeint, die bereits auf das frühe 6. Jahrhundert zurückgeht.
Der berühmte Fulbert von Chartres (+1028, s. Glasfenster unten) war in seiner Eigenschaft als Kanzler des Bischofs bzw. des Domkapitels zugleich Leiter der Domschule. Er sorgte für den Nachschub fähiger Theologen, stattete die umfangreiche Bibliothek mit bedeutenden Werken aus und wird daher oft als “Gründer” der Schule von Chartres bezeichnet. Im Jahr 1006 wurde Fulbert selbst Bischof von Chartres. Fulbert galt als angesehener, aber konservativer Theologe, der seinen Schülern riet, sich an die Schriften der Väter zu halten.
Ihre Blütezeit erreichte die “Schule von Chartres” im 12. Jahrhundert, einer Zeit, in der es in Europa kaum Universitäten gab und jeglicher Unterricht in den Domschulen und Klöstern stattfand. Der Ruf von Chartres sprach sich schnell herum. Aus ganz Europa strömten junge Männer hierher, um Theologie zu studieren. Chartres entwickelte sich fast zwei Jahrhunderte lang als das philosophische, wissenschaftliche und künstlerische Zentrum Frankreichs, wobei man der Philosophie Platons und dessen Konzept einer Weltseele als kosmologisches Prinzip folgte.
Erst als in Paris die Sorbonne gegründet wurde, wo man den Lehren des Aristoteles folgte, verlor Chartres seine Vorrangstellung.
(Foto rechts, HLK 2012)

Chartres – Die Fenster

Glücklicherweise haben auch die herrlichen Fenster die Jahrhunderte überlebt. Sie wurden in der Zeit von 1215 – 1240 geschaffen. Heute besitzt Chartres den wohl größten Bestand an erhaltenen Originalfenstern unter allen Kathedralen.
Viele zeigen das berühmte Chartres-Blau. Das Geheimnis der Herstellung dieser Farbe ist von den Glasmachern mit ins Grab genommen worden. Nach neueren Untersuchungen beruht die Färbung auf Kobalt, das aus dem sächsischen Erzgebirge stammt.

Chartres – die Krypta

Weitgehend vom Brand verschont geblieben ist auch die Romanische Krypta der Kathedrale, der heilende Kräfte nachgesagt wird. Keine andere Krypta wurde durch die Jahrhunderte von so vielen KönigInnen besucht wie die von Chartres. Sie ist jedoch keine Grablege, kein Ort des Todes*, sondern ein Ort des Lebens. Schließlich fand dort unten eine Art “Geburt” statt, denn hier wurde der Wechsel von der heidnischen Virgo paritura zur Virgo qui paeperit vollzogen – also der Jungfrau mit Kind: Notre-Dame-Sous-Terre (Foto rechts unten). Bei der heutigen Madonna handelt es sich um die Kopie einer ersten Ersatzfigur, die man 1857 aus Birnbaumholz geschnitzt und braun eingefärbt hat. In der Krypta, eine der längsten in Europa, sind auch noch alte Fresken erhalten (u.a. auch ein Hinweis auf den Ausbruch der Cholera im Jahr 1832, s. unten)

*Off-topic: Nicht zur Kathedrale, aber zur gallorömischen Geschichte von Chartres gehörend: Im Jahr 2016 machten Archäologen bei Ausgrabungen im Kirchenschiff von Saint-Martin-au-Val in Chartres eine sensationelle Entdeckung. Unter dem Gebäude aus dem 11. Jahrhundert, das auf den Ruinen eines riesigen gallorömischen Heiligtums errichtet wurde, fand man einen winzigen, noch perfekt versiegelten Sarkophag aus weißem Kalkstein, in dem ein Merowinger-Baby lag.
(aus Le Point, Sciences, 21.4.2016)

Chartres – und die Pilger

Die Pilger im christlichen Zeitalter nächtigten für gewöhnlich in der Herberge eines nahegelegenen Benediktinerklosters, wo auch die Kranken versorgt und gepflegt wurden. Unter Bischof Fulbert diente aber auch die Krypta selbst als Lazarett. Mit ihren fast dreißig Jochen (Gewölbeabschnitten) war sie dafür bestens geeignet.
Eigentliches Ziel der Pilgerreise war natürlich die Anbetung der Heiligen Jungfrau – wobei wohl jahrhundertelang beide Figuren verehrt wurden, die Schwarze Druidenmadonna und die (erste) Romanische aus dem Hochmittelalter. (Für das einfache Volk standen sie ja nicht in Konkurrenz zueinander.)
Nachdem die Pilger also ihre Gebete verrichtet hatten, ließen sie sich mit dem Wasser aus dem Heiligen Brunnen besprengen oder tranken davon. Die einen gingen daraufhin nach oben, um sich auf den Weg durchs Labyrinth zu machen (auf Knien!), andere blieben tage- und wochenlang in der Krypta, um Heilung zu finden.

Zum Brunnen: Er wurde im 17. Jh. zugeschüttet, erst zu Beginn des 20. Jh. entdeckte man ihn wieder, wobei man herausfand, dass er rechteckige Fundamente besaß, also gallorömischen Ursprungs war.
Heute, neu aufgemauert, reicht er 33 Meter in die Tiefe bis zum Fluss Eure, ist jedoch versiegt.

Übrigens: Ohne Führung durch diese schummrige Krypta würde man wohl schnell die Orientierung verlieren!

Chartres – und das Labyrinth

Beim Labyrinth von Chartres, entstanden nach 1200, handelt es sich um ein sog. “klassisches” Labyrinth, weil sich, nach einer Beschreibung aus dem Jahr 1640, in der Mitte eine Darstellung des Kampfes von Theuseus mit dem Minotauros befand. Die heidnische Symbolik hat man umgedeutet: Aus Theseus wurde Jesus, der das Böse, also den Minotaurus überwindet. Das aus grauen und schwarzen Steinplatten gefertigte Labyrinth misst über 12 Meter im Durchmesser und ist ein insgesamt 261,50 Meter langer Weg, der sich durch 11 konzentrische Kreise und 34 Kehren auf das Zentrum hinbewegt. Es handelt sich also um einen einzigen, vielfach verschlungenen Pfad, der auf möglichst langer Strecke zum Mittelpunkt führt, und auf dem man sich nicht verlaufen kann, auch wenn dies mitunter den Anschein hat.

Leider kann man das Labyrinth in seiner vollen Schönheit nur Freitags bewundern, wenn die Stühle beiseite geräumt werden. Weil ich es nie schaffte, an einem solchen Tag vor Ort zu sein, hat mir mein inzwischen verstorbener Mann eine kleine Nachbildung für die Hauswand im Garten angefertigt, die mich noch heute freut. Das echte Ablaufen eines Labyrinths habe ich dann später in Schweden nachgeholt, als ich überraschend am Waldrand auf ein solches stieß. (s. meine Fotos oben und unten).

Chartres – und der Ostertanz

Rundtänze haben ihre Wurzeln in der vorchristlichen Zeit: David tanzte vor der Bundeslade, Druidinnen bekamen ihre prophetischen Eingaben während des Tanzes, usw. Auch die Labyrinthe in den christlichen Kathedralen, so unterschiedlich sie sein mögen, sind keine Irrgärten, sondern Tanzplätze für besondere Rituale.
So tanzte man in Chartres im Mittelalter, am Ostersonntag, den Ostertanz, wobei der jeweilige Bischof den Tanz durchs Labyrinth anführte. Die Schrittfolge war vorgegeben. Unter den Klängen des Osterhymnus warfen sich Bischof und die Kleriker, die ihm, teils gegenläufig, durchs Labyrinth folgten, wechselseitig einen goldenen Ball zu. Dieser Ball stellte die Ostersonne dar, das aufgegangene Licht.
(Siehe auch: Mirepoix und Eunate.)

In meinem Thriller “Talmi”, in dem es u.a. um die Cagoten geht, habe ich ebenfalls die alten Ritualtänze thematisiert:
»Sowohl die Steine als auch der Tanz durchs Labyrinth selbst«, fuhr Sabot fort, »waren vermutlich ein Lehrmittel, um entweder zur höheren Erkenntnis zu gelangen oder um ein bestimmtes Wissen zu erfahren – darunter fiel möglicherweise auch die Kunst des Kathedralbaus …”

Chartres – und die Gewändefiguren

Die Kathedrale von Chartres verfügt über neun Portale mit über 1.500 Skulpturen – darunter Szenen aus dem Alten und Neuen Testament, Apostel, KönigInnen, Heilige und Propheten inbegriffen. Leider kann ich hier nur eine kleine Auswahl der für mich schönsten Kunstwerke zeigen, wobei mich vor allem die ausdrucksstarken Gesichter, die Faltenkaskaden der Gewänder aber auch die prachtvollen Zöpfe der Damen begeistert haben.

Das letzte Foto ist eines der rätselhaftesten, das ich 2012 in Chartres gemacht habe. Noch immer suche ich nach einer Erkärung. Wer steckt hinter diesen gekrönten Häuptern? Der Mann weist indische Züge auf, trägt aber das französische Lilienzepter. Sonderbar finde ich auch die Haltung seiner Hand. Handelt es sich um einen christlichen Segensgruß? Oder doch, woran ich spontan dachte, um eine Mudra-Geste aus dem Buddhismus, die auf einen Lehrer hindeutet?
Fest steht: Überall in der Kathedrale finden sich auch Hinweise auf andere Kulturen und Religionen. Das Weltbild der “Schule von Chartres”, wo man auch eifrig die nichtchristlichen Schriften der Antike studierte, hatte viele Facetten.
Lassen Sie mich mit Bernhardt von Chartres schließen, der ein Gelehrter und Magister an der hiesigen Domschule war, geprägt vom Platonismus seiner Zeit:

Wir sind Zwerge auf den Schultern von Riesen sitzend, um mehr und weiter als sie sehen zu können.”

Bernhardt von Chartres (+ nach 1124); mit den “Riesen” spielte er auf die Gelehrten aus der Antike an.


Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!